Zum Hauptinhalt springen

RWI Konjunkturberichte

2020

Torsten Schmidt, Gabriel Arce Alfaro, György Barabas, Boris Blagov, Roland Döhrn, Angela Fuest, Niklas Isaak, Philipp Jäger, Martin Micheli, Philip Schacht

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Konjunktur im Griff der Corona-Epidemie

Durch die Atemwegserkrankung COVID-19 und die Maßnahmen, die dessen Ausbreitungsgeschwindigkeit verringern sollen, wird die Wirtschaftsaktivität in Deutschland vorübergehend massiv eingeschränkt. Zudem dürfte der weltweit kräftige Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität die deutschen Exporte erheblich belasten. Nicht zuletzt sind über die internationalen Produktionsverflechtungen Lieferengpässe bei einigen Vorprodukten zu erwarten, die die Produktion in Deutschland ebenfalls behindern dürften. Darüber hinaus wird kurzfristig die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland davon geprägt sein, dass sich COVID-19 weiter ausbreitet, wobei verlässliche Angaben über den Verlauf durch die Neuartigkeit des Virus kaum möglich sind. Die hier vorgestellte Prognose basiert daher auf der Annahme, dass die inzwischen getroffenen Maßnahmen die Ausbreitung von COVID-19 tatsächlich verlangsamen. Aber auch in diesem optimistischen Szenario ist damit zu rechnen, dass die Nachfrage, insbesondere der private Konsum, im zweiten Quartal kräftig zurückgehen wird. Zudem dürften sich die Unternehmen mit Investitionen zurückhalten. Allerdings wäre bei diesem Verlauf der Epidemie zu erwarten, dass ein nicht unbedeutender Teil der Nachfrage nachgeholt wird und es dann in der zweiten Jahreshälfte zu einem Gegeneffekt kommt. Im kommenden Jahr dürfte dann die konjunkturelle Grundtendenz wieder stärker zum Tragen kommen. Unter dieser Annahme zum Verlauf der Neuerkrankungen halten wir es derzeit für wahrscheinlich, dass der Zuwachs des BIP im Jahresdurchschnitt 2020 um 2%-Punkte geringer ausfällt als ohne die Pandemie zu erwarten gewesen wäre. Im Jahresdurchschnitt dürfte das BIP daher in diesem Jahr um 0,8% zurückgehen. Im kommenden Jahr ist aufgrund der für die zweite Jahreshälfte angenommenen Nachholeffekte eine deutliche Ausweitung des BIP um 2,3% zu erwarten. Die Bundesregierung hat zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie umfangreiche Maßnahmen beschlossen. Aufgrund dieser Erleichterungen bei den Regelungen zur Kurzarbeit und die Liquiditätshilfen für Unternehmen dürfte die Beschäftigung im Prognosezeitraum stabil bleiben. In den Jahren 2020 und 2021 dürfte die Arbeitslosenquote jeweils 5% betragen. Der Preisauftrieb dürfte im Prognosezeitraum maßgeblich von den Energiepreisen beeinflusst werden. Angesichts des kräftigen Rückgangs der Rohölpreise erwarten wir eine Inflationsrate von 0,7% in diesem und von 1,3% im kommenden Jahr. Bereits ohne die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfsmaßnahmen zeichnete sich ein beschleunigter Abbau des Haushaltsüberschusses in den Jahren 2020 und 2021 ab. Während der Überschuss im laufenden Jahr etwa 20,5 Mrd. Euro betragen hätte, wäre er bis 2021 voraussichtlich komplett abgeschmolzen. Mit einem Minus von 6,9 Mrd. Euro wäre aller Voraussicht nach erstmals wieder ein Defizit erreicht worden. Durch die beschlossenen Hilfsmaßnahmen dürfte dieses Defizit aber deutlich kräftiger ausfallen.

Schmidt, T., G. Arce Alfaro, G. Barabas, B. Blagov, R. Döhrn, A. Fuest, N. Isaak, P. Jäger, M. Micheli und P. Schacht (2020), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Konjunktur im Griff der Corona-Epidemie. RWI Konjunkturberichte, 71, 1, 41-73

Link zum Dokument