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Frühsommer 2025: Deutsche Wirtschaft macht erste Schritte aus der Krise

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland hat sich trotz eines schwieriger gewordenen internationalen Umfeldes im ersten Quartal deutlich erhöht. Allerdings ist dieser Anstieg des BIP um 0,4% wohl zu einem deutlichen Teil auf Vorzieheffekte bei den Exporten zu-rückzuführen, die mit der erratisch wirkenden US-amerikanischen Zollpolitik in Zusammenhang stehen. Die nun seit Anfang Juni geltenden Zölle auf Einfuhren von Stahl und Aluminium in die USA von 20 auf 50% dürften die Einfuhren dieser Waren dämpfen. Der private Konsum ist im ersten Quartal ebenfalls recht kräftig ausgeweitet worden: Obwohl die Unsicherheitsindikatoren weiterhin auf hohem Niveau liegen und auch die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, hat sich in diesem Zeitraum die Konsumentenstimmung verbessert. Für das zweite Quartal zeichnet sich zunächst eine deutliche Abschwächung des Expansionstempos ab. Der Rückgang der Exporte im April, der vor allem auf einen deutlichen Rückgang der Exporte in die USA zurückzuführen ist, deutet auf eine Reaktion auf die Vorzieheffekte des ersten Quartals hin. Zudem gehen wir davon aus, dass der private Konsum das hohe Expansionstempo vom ersten Quartal nicht halten wird. Darauf deuten auch die stark rückläufigen realen Einzelhandelsumsätze im April hin. In der zweiten Jahreshälfte dürften sich die konjunkturellen Auftriebskräfte etwas verstärken. Zwar werden aller Voraussicht nach die außenwirtschaftlichen Belastungen durch die höheren Zölle auf US-Importe von Stahl und Aluminium weiterhin Bestand haben. In dieser Prognose ist aber unterstellt, dass es weder zu Gegenmaßnahmen von Seiten der EU kommt, noch gehen wir davon aus, dass die USA weitere Zölle erheben. Da die-se Annahmen mit erheblicher Unsicherheit verbunden sind, sind auch weiterhin dämpfen-de Effekte durch die erhöhte handelspolitische Unsicherheit zu erwarten. Dies dürfte die deutschen Exporte auch in der zweiten Jahreshälfte weiter dämpfen. Die zunehmende Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen aus anderen Weltregionen wer-den diese Effekte aber wohl nach und nach kompensieren. Den außenwirtschaftlichen Belastungen treten in der zweiten Jahreshälfte zunehmend stützende binnenwirtschaftliche Impulse gegenüber. Die zuletzt zu beobachtende Verbesserung der Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern dürfte zu einem nicht unbedeutenden Teil mit Erwartungen an die Fähigkeit der neuen Bundesregierung zu einem Neustart verbunden sein. Damit diese Stimmungsaufhellung auch tatsächlich zu einer steigenden Investitions- und Konsumbereitschaft führt, müssen in den kommenden Wochen und Monaten aber auch vonseiten der Bundesregierung die Weichen für mehr Wachstum gestellt werden. Mit dem Investitionsprogramm und nun auch mit den jüngsten Beschlüssen des Koalitionsausschusses sind einige Voraussetzungen dafür geschaffen worden. Weitere Schritte müssen aber nun folgen. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass vor allem die privaten Investitionen angesichts sinkender Zinsen und einer steigenden öffentlichen Nachfrage im Prognosezeitraum in deutlich höherem Tempo ausgeweitet werden als zuvor. Allerdings bleiben die strukturellen Probleme weiter bestehen und begrenzen somit nach wie vor das kurzfristige Erholungspotenzial der deutschen Wirtschaft. Insgesamt dürfte das gesamtwirtschaftliche Expansionstempo in der zweiten Jahreshälfte wieder zunehmen. Im Jahresdurchschnitt ist eine Ausweitung des BIP in diesem Jahr von 0,3% zu erwarten. Im kommenden Jahr, wenn die Impulse der öffentlichen Investitionen zunehmen, dürfte das BIP um 1,5% ausgeweitet werden. Der Zuwachs liegt damit deutlich über dem Zuwachs des Produktionspotenzials, der im kommenden Jahr bei etwa 0,3% liegen dürfte. Die Produktionslücke dürfte damit im kommenden Jahr deutlich zurückgehen. Im ersten Quartal 2025 blieb die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal unverändert. Die Arbeitslosenzahl lag im Mai 2025 um 197.000 höher als im Mai des Vorjahres. Dennoch sank die Arbeitslosenquote leicht um 0,1 Pro-zentpunkte auf 6,2%. Inzwischen deuten aber einige Indikatoren darauf hin, dass weniger Unternehmen in Deutschland planen, Stellen abzubauen. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Arbeitslosenquote dieses Jahr auf durchschnittlich 6,3% steigen und im kommenden Jahr wieder leicht auf 6,2% sinken wird. Die Inflation lag im Mai voraussichtlich bei 2,1%. Sinkende Energiepreise sowie eine niedrige Teuerungsrate bei den übrigen Waren trugen dazu bei, dass die Inflationsrate in diesem Jahr kontinuierlich, wenngleich langsam, zurückgegangen ist. Für dieses Jahr werden weiterhin leicht sinkende Energiepreise und für das Jahr 2026 leicht steigende Preise er-wartet. Hierzu dürfte die zu erwartende Erhöhung des nationalen CO₂-Preises für Brennstoffe innerhalb des eröffneten Preiskorridors ab Beginn des nächsten Jahres einen Bei-trag leisten. Insgesamt wird erwartet, dass die Preise im Jahr 2025 um 2,2% und im Jahr 2026 um 2,0% steigen werden. Anfang des Jahres 2025 hat der Bundestag mit der neuen Finanzverfassung die Weichen für höhere staatliche Ausgaben gestellt. Bis die erweiterten Möglichkeiten zur Aufnahme neuer Schulden und zu Ausgaben aus Sondervermögen jedoch in nennenswertem Ausmaß genutzt werden, dürfte noch etwas Zeit vergehen. Neue Projekte haben wegen Planung und Beschaffung gewisse Vorlaufzeiten, so dass sich Impulse auf die staatlichen Ausgaben erst ab dem kommenden Jahr materialisieren. Die Finanzpolitik ist im Prognosezeit-raum daher zunehmend expansiv ausgerichtet. In Relation zum BIP dürfte das Finanzierungsdefizit des Staates im Jahr 2025 mit 2,6% etwas kleiner sein als im vergangenen Jahr. Im kommenden Jahr steigt das Defizit wohl allerdings wieder auf 2,9% des BIP. Die Maastricht-Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte dürfte über 65% im Jahr 2025 auf etwa 66% zum Ende des Jahres 2026 steigen.

Schmidt, T., B. Blagov, E. Coschignano, M. Dirks, N. Isaak, F. Kirsch, S. Kotz, C. Krause und P. Schacht-Picozzi (2025), Frühsommer 2025: Deutsche Wirtschaft macht erste Schritte aus der Krise. RWI Konjunkturberichte, 76, A02

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