Frühsommer 2025: Weltwirtschaft im Bann der Handelspolitik
Die Weltwirtschaft steht derzeit unter dem Einfluss der handelspolitischen Konflikte. Die Zölle belasten Handel und Industrieproduktion, und über der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung schwebt das Damoklesschwert der hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheit. Der effektive US-Importzoll ist aktuell so hoch wie noch nie nach dem Zweiten Welt-krieg. Mit den zurzeit ausgesetzten länderspezifischen „reziproken“ Importzöllen wäre er sogar so hoch wie seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre nicht mehr. Gleichzeitig hat die Unvorhersehbarkeit der US-Handelspolitik die wirtschaftspolitische Unsicherheit in nicht gekannte Höhen katapultiert. Im ersten Quartal 2025 hat die Weltwirtschaft unterdessen moderat zugelegt, wobei hier schon die Auswirkungen der Handelskonflikte zu spüren waren. So legten im Vorfeld der angekündigten US-Importzollerhöhungen im Euro-Raum und in China die Ausfuhren, in den USA die Einfuhren teils kräftig zu. Die Rohstoffpreise haben in den vergangenen Monaten deutlich nachgegeben. Mit dem Rückgang der Energiepreise hat sich der Disinflationsprozess fortgesetzt. Weiterhin sind aber vielerorts die Kernraten der Inflation ohne die Preise für Energie und Nahrungsmittel hoch. In vielen Ländern bleiben die Dienstleistungspreise die wesentlichen Inflationstreiber. Die Zentralbanken der großen Volkswirtschaften haben in den vergangenen Monaten auf die unterschiedlichen Inflationstrends reagiert. So hat die EZB den Einlagensatz in diesem Jahr bereits viermal gesenkt, während die US-Notenbank Fed den Leitzins seit Dezember 2024 wohl auch wegen der Unsicherheit bezüglich der Inflationswirkungen der US-Importzölle unverändert ließ. Im Prognosezeitraum dürfte die Weltwirtschaft moderat expandieren. Für das laufende Jahr wird ein Zuwachs um 2,5% erwartet. Im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung um 2,3% zulegen. Dazu tragen der Rückgang der Inflation und die robusten Arbeits-märkte bei, wodurch der private Konsum gestärkt wird. Die Investitionen dürften von niedrigeren Realzinsen angeregt werden. Die Handelspolitik birgt ein erhebliches Abwärtsrisiko für die Prognose. Auch die fiskalischen Risiken nehmen zu. Die Staatsverschuldung ist in vielen Ländern bereits hoch, und der Ausgabendruck in Bereichen wie Verteidigung, Investitionen in die grüne Transformation und den mit der Alterung der Bevölkerung verbundenen Kosten nimmt zu. Weiterhin hoch sind auch die geopolitischen Risiken. Besser als erwartet würde sich die Konjunktur nicht zuletzt dann entwickeln, wenn es zu einer raschen Lösung im Zollkonflikt kommt und damit auch die wirtschaftspolitische Unsicherheit abnimmt.
Blagov, B., D. Grozea-Helmenstein, F. Kirsch und K. Weyerstraß (2025), Frühsommer 2025: Weltwirtschaft im Bann der Handelspolitik. RWI Konjunkturberichte, 76, A03