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RWI Konjunkturberichte

2013

Roland Döhrn, György Barabas, Heinz Gebhardt, Tobias Kitlinski, Martin Micheli, Simeon Vosen, Lina Zwick

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Binnennachfrage trägt Aufschwung

Die deutsche Konjunktur zeigt zur Jahresmitte 2013 keine eindeutige Tendenz. Zwar nahm im zweiten Quartal das BIP deutlich um 0,7% zu. Dies lag aber im Wesentlichen daran, dass der witterungsbedingte Produktionsausfall aus dem ersten Quartal nachgeholt wurde. Zwar sprechen zahlreiche Indikatoren dafür, dass Deutschland die wirtschaftliche Schwächephase des Winterhalbjahrs überwunden hat. Der Aufschwung dürfte aber vorerst verhalten sein und sich erst im kommenden Jahr beschleunigen. Getragen wird die Expansion vor allem von der Inlandsnachfrage. Die Unternehmensinvestitionen - die in den vergangenen beiden Jahren eher durch eine verbreitete Verunsicherung der Unternehmen als durch real- oder finanzwirtschaftliche Faktoren gedrückt wurden - werden bei sich aufhellendem weltwirtschaftlichen Umfeld und einer weiteren Entspannung der Situation im Euro-Raum wieder ausgeweitet. Auch die Bautätigkeit dürfte aufwärts gerichtet bleiben. Vor allem aber dürften die privaten Konsumausgaben steigen, da sich die Lohneinkommen wohl weiterhin spürbar erhöhen werden und mit besserer Konjunktur und allmählich steigenden Zinsen eine kräftigere Zunahme der Kapitaleinkünfte zu erwarten ist. Durch das günstigere weltwirtschaftliche Umfeld werden zwar auch die Exporte voraussichtlich kräftiger zunehmen als zuletzt. Da aber auch die Einfuhren kräftig steigen dürften, geht von der Außenwirtschaft nach einem leicht negativen Wachstumsbeitrag im Jahr 2013 im kommenden Jahr wohl ein nur leicht positiver Beitrag aus. Für das BIP prognostizieren wir eine Zunahme um 0,4% in diesem und um 1,9% im kommenden Jahr. Mit dem stärkeren Produktionsanstieg wird voraussichtlich auch die Erwerbstätigkeit zunehmen. Damit dürfte auch die Zahl der Arbeitslosen wieder abnehmen und die Arbeitslosenquote von 6,8% in diesem auf 6,7% im kommenden Jahr sinken. Die Teuerung dürfte im Prognosezeitraum leicht anziehen, weil es den Unternehmen mit steigender Kapazitätsauslastung wohl besser gelingen wird, Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Zudem wird sich der zuletzt beschleunigte Anstieg der Immobilienpreise mehr und mehr in Mietsteigerungen bemerkbar machen. Alles in allem erwarten wir eine Inflationsrate von 1,6% in diesem und 1,8% im kommenden Jahr. Der Staatshaushalt wies 2012 einen kleinen strukturellen Überschuss auf. Auch für dieses Jahr entwickeln sich die Staatsfinanzen positiv. Trotz Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Fluthilfe dürfte 2013 ein geringer Überschuss erreicht werden, der bei besserer Konjunktur auf reichlich 7 Mrd. € (0,3% des BIP) im kommenden Jahr steigen dürfte. Obwohl Deutschland damit drei Jahre in Folge einen strukturellen Haushaltsüberschuss erzielt, ist der Konsolidierungsprozess keineswegs abgeschlossen. Zum Teil ist der Überschuss dem niedrigen Zinsniveau und den dadurch relativ geringen Zinsausgaben zu verdanken. Mit künftig zu erwartenden steigenden Zinsen nehmen diese aber wieder zu. Auch trägt die 'kalte Progression' zur guten Finanzlage bei. Da rein inflationsbedingte Einkommenszuwächse die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler nicht verbessern, sollte der Einkommensteuertarif so reformiert werden, dass diese Mehreinahmen künftig wegfallen. Schließlich wurde die Haushaltskonsolidierung in der Vergangenheit auch zu Lasten der öffentlichen Investitionen vorangetrieben. Hier besteht inzwischen Investitionsbedarf. Allerdings sollten höhere investive Ausgaben des Staates nicht durch Steuererhöhungen finanziert werden, sondern durch eine effizientere Mittelverwendung und Kürzungen insbesondere bei den Subventionen. Nicht zuletzt aufgrund des Versprechens der EZB, den Euro mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen, hat sich die Lage an den Finanzmärkten beruhigt. Damit hat die EZB den nationalen Regierungen Zeit verschafft, um Strukturreformen voranzubringen und das Problem insolventer Banken anzugehen, die nur durch die großzügige Liquiditätszuteilung durch die EZB am Leben gehalten werden. Bisher wurde die so erkaufte Zeit aber nicht genutzt, um durch Reformen die EZB von ihrer Verantwortung zu entlasten, und so die Trennung von finanz- und geldpolitischer Verantwortung wieder herzustellen. Vielmehr hat die Beruhigung der Lage im Euro- Raum allem Anschein nach eher den Reformdruck vermindert.

Döhrn, R., G. Barabas, H. Gebhardt, T. Kitlinski, M. Micheli, S. Vosen und L. Zwick (2013), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Binnennachfrage trägt Aufschwung. RWI Konjunkturberichte, 64, 3, 41-103

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