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RWI Konjunkturberichte

2010

Roland Döhrn, Tobias Kitlinski, Torsten Schmidt, Simeon Vosen

Die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland: Belasteter Aufschwung

Die Weltwirtschaft hat sich seit dem Herbst 2009 belebt, allerdings unterschiedlich stark in den einzelnen Regionen. In den Schwellenländern erholte sich die Industrieproduktion rasch von dem tiefen Einbruch zur Jahreswende 2008/09 und hat inzwischen wieder das Niveau vom Herbst 2008 erreicht. In den Industrieländern hingegen stieg sie bislang nur recht verhalten und war zuletzt immer noch 15% niedriger als am konjunkturellen Höhepunkt. Zurückzuführen sind diese Diskrepanzen im Wesentlichen auf die unterschiedliche Ausgangslage beider Ländergruppen. Die Wirtschaft der meisten Schwellenländer hatte insgesamt gesehen vor der Finanzkrise auf soliden Füßen gestanden, so dass die Konjunktur nach dem kräftigen Einbruch des Welthandels rasch wieder ansprang. In den Industrieländern ist die Expansion weiterhin durch Probleme vor allem im Bau- und im Finanzsektor, in manchen Ländern auch durch die außerordentlich hohe Staatsverschuldung belastet. Dort, wo sie besonders groß sind, z.B. in Spanien und Griechenland sowie in einer Reihe osteuropäischer Länder, schrumpfte die Wirtschaftsleistung sogar bis zuletzt. Die Wirtschaftspolitik, die im Jahr 2009 ungewöhnlich expansiv ausgerichtet war, dürfte in diesem Jahr allmählich restriktiver werden. In zahlreichen Ländern laufen die Konjunkturprogramme aus, manche haben sogar bereits Konsolidierungsmaßnahmen angekündigt. Insgesamt dürfte sich der strukturelle Budgetsaldo 2010 nur wenig ändern. Für 2011 ist ein stärkerer Abbau der Haushaltsfehlbeträge zu erwarten. Die Zentralbanken werden wahrscheinlich schon in diesem Jahr beginnen, ihre Geldpolitik zu straffen, zumal die Inflationsraten in einigen Ländern inzwischen anziehen. Zunächst dürften sie sich aber darauf konzentrieren, die „nicht-konventionellen“ Maßnahmen zurückzufahren, während Anhebungen der Leitzinsen erst gegen Ende dieses oder zu Beginn des kommenden Jahres zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund erwarten wir für den Prognosezeitraum eine nur allmähliche Besserung der Weltwirtschaft. Für die Schwellenländer zeichnet sich zwar eine weiterhin recht robuste Expansion ab, jedoch dürfte deren Tempo gegenüber der zweiten Hälfte von 2009 etwas nachlassen. In den Industrieländern wird der Aufschwung voraussichtlich nur sehr zögerlich an Stärke gewinnen. Für den Jahresbeginn 2010 deuten viele Indikatoren sogar auf eine vorübergehend schwächere Produktionsausweitung als in der zweiten Hälfte von 2009 hin. Alles in allem dürfte die Wirtschaftsleistung in den Industrieländern in diesem Jahr um 2%, im kommenden nur wenig mehr ausgeweitet werden. Dabei steht einer etwas kräftigeren Expansion in Europa eine etwas nachlassende in den USA und Japan gegenüber. Für das Weltsozialprodukt – gerechnet in Dollar – ist aufgrund der lebhafteren Expansion in den Schwellenländern in beiden Jahren ein Anstieg um 2,7% zu erwarten. Die Weltwirtschaft hat die Rezession also allem Anschein nach überwunden, doch deutet vieles auf eine nur sehr verhaltene Erholung hin. Die Wende wurde auch durch die in nahezu allen Ländern expansiv ausgerichtete Wirtschaftspolitik ermöglicht. Es besteht daher das Risiko, dass die Wirtschaft bei dem gleichzeitigen Auslaufen der Stimulierungsprogramme vieler Staaten und einem allerorts zu erwartenden Schwenk in der Geldpolitik wieder in die Rezession zurückfällt. In einer Phase erhöhter Unsicherheit besteht zudem die Gefahr, dass die Wirtschaftspolitik den Exit zu früh oder zu spät vornimmt bzw. dass man dabei zu forsch oder zu zögerlich vorgeht.

Döhrn, R., T. Kitlinski, T. Schmidt und S. Vosen (2010), Die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland: Belasteter Aufschwung. RWI Konjunkturberichte, 61, 1, 5-35

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