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RWI Konjunkturberichte

2014

Roland Döhrn, György Barabas, Angela Fuest, Heinz Gebhardt, Martin Micheli, Svetlana Rujin, Lina Zwick

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Nur vorübergehende Störung - Aufschwung bleibt intakt

Die deutsche Konjunktur hat sich im Frühjahr deutlich verlangsamt. Zwar war der Rückgang der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal zum Teil Folge der ungewöhnlich milden Witterung im ersten Quartal. Allerdings scheint sich auch die konjunkturelle Dynamik abgeschwächt zu haben. Dämpfend wirkte insbesondere die Außenwirtschaft. Da auch die Auftragseingänge im zweiten Quartal stagnierten und die Klimaindikatoren sich verschlechterten, ist vorerst ein nur verhaltener Produktionsanstieg zu erwarten. Allerdings dürfte das im zweiten Quartal rückläufige BIP nicht den Beginn einer Rezession markieren. So waren die Monatsindikatoren für Juli überraschend günstig. Zudem stieg die Beschäftigung bis zuletzt, die Arbeitslosigkeit lag stabil auf im längerfristigen Vergleich niedrigem Niveau und die Zahl der Offenen Stellen nahm zu. Da auch die Finanzpolitik leicht stimulierend wirkt und die Geldpolitik bis zum Ende des Prognosezeitraums expansiv ausgerichtet sein dürfte, erwarten wir, dass sich der Aufschwung fortsetzt und im Laufe kommenden Jahres etwas an Schwung gewinnt. Treibende Kraft wird dabei voraussichtlich die Inlandnachfrage sein. Der Private Konsum dürfte von der weiterhin günstigen Lage am Arbeitsmarkt und den deshalb kräftig steigenden Bruttolöhnen und -gehältern profitieren. Zudem werden die monetären Sozialleistungen 2015 voraussichtlich spürbar ausgeweitet. Die dadurch kräftig steigenden verfügbaren Einkommen bilden auch günstige Rahmenbedingungen für die Wohnungsbauinvestitionen, zumal die Finanzierungskosten wohl niedrig bleiben werden. Die Unternehmensinvestitionen litten zwar unter der Eintrübung der Erwartungen der Unternehmen. Sie dürften bei zunehmender Kapazitätsauslastung und weiterhin niedrigen Zinsen aber beschleunigt steigen. Keine Impulse sind dagegen von der Außenwirtschaft zu erwarten. Zwar werden die Exporte im Prognosezeitraum beschleunigt zunehmen. Aber die Einfuhren werden bei kräftig zunehmender Inlandsnachfrage und einem wachsenden Vorleistungsbedarf der Exporteure noch stärker zunehmen. Alles in allen erwarten wir einen Anstieg des BIP um 1,5% in diesem Jahr und um 1,8% im kommenden Jahr. Ungeachtet des Konjunkturaufschwungs und einer weiter zunehmenden Beschäftigung dürfte die Arbeitslosigkeit nur leicht zurückgehen und die Arbeitslosenquote bei 6,6% verharren. Zum einen wird die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wohl den Arbeitsmarkt belasten, zum anderen dürfte der Beschäftigungsaufbau wohl auch weiterhin aus der Stillen Reserve und der Zuwanderung erfolgen. Der Preisauftrieb wird dabei vorerst gering bleiben, im Prognosezeitraum aber bei steigender Kapazitätsauslastung zunehmen. Die Inflationsrate dürfte sich entsprechend von 1,0% in diesem Jahr auf 1,6% im kommenden Jahr erhöhen. Die Lage der öffentlichen Haushalte wird sich ungeachtet der leicht expansiven Ausrichtung der Finanzpolitik verbessern, da Steuereinnahmen aufgrund der sich bessernden Konjunktur und der kalten Progression wohl kräftig steigen werden. Der staatliche Budgetüberschuss dürfte sich im laufenden Jahr auf 12 Mrd. Euro bzw. 0,4% in Relation zum nominalen BIP erhöhen und im kommenden Jahr reichlich 13 Mrd. Euro (0,5% des BIP) erreichen. Wegen der im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn in Deutschland deutlich aufwärtsgerichteten Konjunktur, der niedrigen Arbeitslosigkeit und der guten Lage der Öffentlichen Finanzen lässt sich hierzulande eine gewisse Selbstzufriedenheit beobachten. Entsprechend stehen in der Wirtschaftspolitik derzeit verteilungspolitische Maßnahmen im Vordergrund, die vielfach negativ auf das langfristige Wachstum wirken. Eine wieder stärker am Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik würde nicht nur Deutschland besser auf die Herausforderungen des demografischen Wandels vorbereiten, sondern letztlich auch dem Euro-Raum zu einer kräftigeren Expansion verhelfen.

Döhrn, R., G. Barabas, A. Fuest, H. Gebhardt, M. Micheli, S. Rujin und L. Zwick (2014), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Nur vorübergehende Störung - Aufschwung bleibt intakt. RWI Konjunkturberichte, 65, 3, 39-81

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