Skoda-Fahrer sind am klügsten
Darüber berichteten unter anderem sueddeutsche.de, autobild.de und t-online.de. Nach den Ergebnissen dieser Studien haben Skoda-Fahrer den höchsten Intelligenzquotienten, gefolgt von Besitzern von Autos der Marken Suzuki und Peugeot. Am dümmsten sind Fahrerinnen und Fahrer der Marken BMW, Fiat und Land Rover. Auch von der Farbe und der Antriebsart eines Autos könne man Rückschlüsse auf die Intelligenz der Fahrer ziehen: Weiße und graue sowie benzingetriebene PKWs haben relativ schlaue Fahrer. Ist das Auto hingegen silbern oder grün oder ein Elektrofahrzeug, ist der Fahrer vergleichsweise dumm. Und wenn Sie sich ihr Kennzeichen personalisieren lassen, sind Sie ebenfalls eher dumm.
Was wurde in der Studie gemacht? Das Vergleichsportal hat 2.024 Autofahrer in Großbritannien nach den Eigenschaften ihres Fahrzeugs befragen lassen. Darüber hinaus haben die Teilnehmer einen kurzen Intelligenzquotienten (IQ)-Test gemacht, indem sie 20 Fragen beantwortet haben (der Test wurde angelehnt an diesen hier: https://www.arealme.com/iq/en). Fünf Marken wurden nicht berücksichtigt, weil zu wenige Antworten vorlagen. Auf Basis dieser Umfrage wurde dann für die verschiedenen Fahrzeugeigenschaften der IQ der Fahrerin bzw. des Fahrers berechnet.
Bei kleineren Stichproben ist Angabe zur Unsicherheit der Schätzung nötig
Um die Ergebnisse dieser Studie richtig einschätzen zu können, benötigt man einige wenige Informationen über die Verteilung des IQ in einer Bevölkerung. Die vor ca. 100 Jahren erstmals entwickelten IQ-Tests folgen typischerweise einer Normalverteilung mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 15 (ältere Leser kennen die Normalverteilung vom 10 DM-Geldschein, auf dem die Normalverteilung zusammen mit Carl Friedrich Gauß abgebildet war, der diese in der Statistik fundamentale Verteilung definierte). Das bedeutet, dass in einer Bevölkerung der durchschnittliche IQ immer 100 beträgt und ungefähr 68 Prozent der Bevölkerung einen IQ zwischen 85 und 115 (der sogenannte Durchschnittsbereich) hat. Diese Werte sind jedoch nur für eine (unendlich) große Bevölkerung korrekt, nicht für eine kleine Stichprobe der Bevölkerung. Und genau hier liegt das zentrale Problem der obigen Meldungen. Bei der Verwendung von Stichproben können die geschätzten Durchschnitte (hier die IQ-Werte) zufällig von dem (wahren) Durchschnittswert in der Bevölkerung abweichen. Daher sollte man in solchen Fällen immer die Unsicherheit der Schätzung angeben, was leider nach wie vor sehr häufig nicht erfolgt – auch in diesem Fall. Daher ist weitgehend unklar, ob sich die betrachteten Gruppen wirklich (zumindest aus statistischer Sicht) unterscheiden.
Man kann sich der Antwort annähern, indem man mit grundlegenden statistischen Methoden errechnet, welche Unterschiede denn noch durch Zufall erklärbar wären. Dazu brauchen wir ein paar Informationen, die eine sauber durchgeführte Studie zur Verfügung stellen würde. Da diese hier nicht vorliegen, behelfen wir uns mit Annahmen. Erstens unterstellen wir, dass die Standardabweichung in allen Gruppen 15 beträgt. Zweitens nehmen wir an, dass sich die befragten Gebrauchtwagenkäufer ähnlich über die Automarken verteilen wie sämtliche zugelassenen Fahrzeuge in Großbritannien. Weil die Studie genau für die 22 Marken mit den höchsten Zulassungszahlen Ergebnisse liefert, ist diese Annahme nicht unplausibel. Außerdem müssen wir noch berücksichtigen, dass der statistische Test mit einer Wahrscheinlichkeit von 5% ein „falsch positives“ Ergebnis liefert, also einen Unterschied anzeigt, wo gar keiner ist. Vergleichen wir also 22 Marken mit dem Gesamtdurchschnitt, erwarten wir mindestens ein falsch positives Ergebnis. Deshalb korrigieren wir unsere Vergleiche so, dass insgesamt nur mit 5% Wahrscheinlichkeit mindestens ein falsch positives Ergebnis vorliegt.
Obige Abbildung zeigt, wo die durchschnittlichen IQ-Werte je Marke (rote Punkte) im Verhältnis zum Gesamt-Durchschnitt des IQ in Höhe von 93,9 (blaue Linie) liegen. Die senkrechten Balken markieren den Unsicherheitsbereich, sogenannte Konfidenzintervalle. Alle Unsicherheitsbereiche schneiden die Durchschnittslinie, was bedeutet, dass sämtliche Unterschiede durch Zufall erklärt werden können.
IQ-Verteilung deutet auf Messfehler hin
Nicht mehr durch Zufall zu erklären ist allerdings, dass alle in der Studie ausgewiesenen Gruppen einen durchschnittlichen IQ-Wert von unter 100 haben. Eigentlich würden man erwarten, dass zumindest einige der Gruppen einen durchschnittlichen IQ-Wert von über 100 erreichen, wenn der Test tatsächlich im Schnitt einen IQ-Wert von 100 liefern würde. Vielmehr liegen die befragten britischen Autofahrer im Schnitt bei einem IQ von knapp 94. Aufgrund des Stichprobenfehlers kann das natürlich passieren – dies ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Nun könnte man vermuten, dass Autofahrer grundsätzlich dümmer sind als Fahrradfahrer oder ÖPNV-Nutzer. Eine vernünftigere Erklärung ist aber, dass in der Studie nur ein sehr verkürzter IQ-Test verwendet wurde und dies zu weiteren Messfehlern führt. Zwei von uns haben den obigen Test, von dem sich die Studie „inspirieren“ ließ, einmal gemacht. Ergebnis: IQs von 151 und 183. Schmeichelhaft für uns, aber leider ebenfalls sehr unglaubwürdig.
Fazit: Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie einen BMW oder Fiat fahren, Sie sind nicht dümmer oder klüger als Skoda- oder Suzuki-Fahrer. Und viel wichtiger: Sie werden auch nicht klüger, wenn Sie von einem BMW auf einen Skoda umsteigen, oder dümmer, wenn Sie von einem Suzuki auf einen Fiat umsteigen. Nur wenn Sie einen vollelektrischen grünen Land Rover fahren, sollten Sie sich Gedanken machen. Aber die werden erst im Jahr 2024 angeboten.
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Katharina Schüller (STAT-UP), Tel.: (089) 34077-447
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Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de und unter dem Twitter-Account @unstatistik. Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.
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