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„Polen sind fleissiger als Deutsche“

Die Unstatistik des Monats ist die Aussage „Polen sind fleißiger als Deutsche“, geäußert von Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich eines Treffens mit den Staatsoberhäuptern Italiens und Polens am 19. November in Neapel. Das mag als Kompliment hingehen, nicht aber als aussagekräftige Statistik.

 

Die Unstatistik des Monats ist die Aussage „Polen sind fleißiger als Deutsche“, geäußert von Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich eines Treffens mit den Staatsoberhäuptern Italiens und Polens am 19. November in Neapel.

Das mag als Kompliment hingehen, nicht aber als aussagekräftige Statistik. Verwendet man die jährliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen, wie sie beispielsweise von der OECD ausgewiesen wird, ist Herr Gauck insofern korrekt, als die in dieser Erhebung erfaßten Polen und Polinnen pro Jahr im Durchschnitt 1.937 Stunden arbeiten, die in dieser Statistik erfaßten Deutschen dagegen nur 1.413 Stunden. Abgesehen von potenziell erheblichen Messfehlern (viele Überstunden und ein großer Teil der Arbeit aller Selbständigen fallen etwa aus dieser Statistik heraus) betreffen diese Zahlen aber nur Personen, die tatsächlich einer Erwerbsarbeit nachgehen. Das waren 2011 nach Eurostat in Deutschland 76%, in Polen nur 65% aller Bürger im Alter zwischen 20 und 64 Jahren. Insbesondere gehen in Deutschland viel mehr Menschen als in Polen einer Teilzeitarbeit nach, bringen also nur wenige Stunden in diese Statistik ein. Würde man also die geleisteten Arbeitsstunden durch alle Bürger im erwerbsfähigen Alter teilen, ergäbe sich ein völlig neues Bild.

Noch größer ist der Abstand beim durchschnittlichen Geldvermögen pro Bürger: Es beträgt in Deutschland 60.000 Euro, in Polen knapp über 7.000 Euro. Dabei sind in beiden Ländern auch jene Menschen mitgezählt, die überhaupt kein Vermögen besitzen oder sogar Schulden haben. Für Letztere ist das Vermögen negativ. Kein Mensch käme auf die Idee, in diesen Durchschnitt nur solche Menschen aufzunehmen, die tatsächlich Vermögen besitzen. Genau das wurde aber von Herrn Gauck bei seinem Vergleich der durchschnittlichen Arbeitsstunden getan.

Völlig außer Acht bleiben bei diesem Vergleich auch die private Kinderbetreuungs-, Haus- und Gartenarbeit sowie der Wert der Güter bzw. Dienstleistungen, die tatsächlich während der Arbeitszeit produziert worden sind. Hier erzeugte im Jahr 2011 laut OECD ein polnischer Arbeitnehmer im Durchschnitt in einer Stunde Waren und Dienstleistungen im Wert von 26,20 Euro, ein deutscher Arbeitnehmer im Wert von 55,30 Euro.

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Ihr Ansprechpartner dazu:
Prof. Dr. Walter Krämer, Tel.: (0231) 755-31 25