Statement von RWI-Präsident Christoph M. Schmidt zur Verleihung des Nobelpreises an seinen Doktorvater David Card
RWI-Präsident Christoph M. Schmidt über die Auszeichnung für seinen Doktorvater:
„Kein anderer Forscher hat mich während meines Doktorandenstudiums an der Princeton University stärker geprägt als mein Doktorvater David Card. Wie kaum ein anderer Ökonom richtet er seine akademische Arbeit auf die Inhalte aus: Es geht ihm vor allem um das Sammeln empirischer Erkenntnisse zu menschlichen Entscheidungen und deren Auswirkungen. Dabei nimmt er vor allem zentrale Lebensbereiche wie etwa den Arbeitsmarkt und den Bildungsbereich in den Fokus. Bei seiner Forschung ist David Card zum einen stets kompromisslos, was die Schärfe der Argumente und die methodische Tiefe angeht, die benötigt werden, um seine Forschungsfragen zu beantworten. Zum anderen sucht er unermüdlich nach einem direkten und unprätentiösen Zugang zu seinem Analysegegenstand.
David Card hat im Laufe der vergangenen Jahrzehnte die Karriere von Generationen von akademischen Schülerinnen und Schülern entscheidend beeinflusst. Sein Ansatz, eine Veränderung in den Rahmenbedingungen als natürliches Experiment zu nutzen, um den ursächlichen Effekt von Maßnahmen auch in solchen Bereichen feststellen zu können, in denen aus praktischen oder ethischen Gründen die Durchführung eines Experiments nicht möglich ist, ist heute aus der Ökonometrie nicht mehr wegzudenken.
Bei ihm konnte man lernen, dass akademische Exzellenz bedeutet, komplexe Zusammenhänge sorgsam zu sezieren, ihre einzelnen Bestandteile analytisch zu durchdringen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse dann so einfach wie möglich – aber nicht einfacher – darzustellen. Er hat gezeigt, dass akademische Qualität eben nicht darin besteht, elegante mathematische Formulierungen und komplizierte statistische Zugänge um ihrer selbst Willen einzusetzen, sondern dass es immer darum geht, den besten Weg zu finden, mit dem man den Kern des Sache erschließen kann.
Wenngleich David Card immer allerhöchste Anerkennung von seinen Schülerinnen und Schülern sowie seinen Kolleginnen und Kollegen erfahren hat -- ob als früh berufener Professor an einer der besten Universitäten der Welt oder als Herausgeber der renommiertesten ökonomischen Fachzeitschriften -- ist er stets von Grund auf bescheiden, unprätentiös und zugänglich geblieben. Als Card 1995 die John Bates Clarke-Medaille gewann, die gemeinhin als Vorbote späterer Nobelpreiswürden angesehen wird, schrieb sein Laudator Richard Freeman nicht zu Unrecht: „nice guys do sometimes finish first“.
Seine intellektuelle Großzügigkeit bei der Betreuung von Studierenden und bei der Diskussion der Arbeiten von Nachwuchsforscherinnen und -forschern hat er nicht zuletzt auch beim RWI eingebracht: Von 2003 bis 2011 war David Card Vorsitzender des RWI-Forschungsbeirats und hat den Neuaufbruch des Instituts zu einem Zentrum der evidenzbasierten Politikberatung mit hohem wissenschaftlichen und praxisbezogenen Anspruch intensiv begleitet.
Wir sind David Card daher sehr verbunden – und gratulieren ihm und den beiden Preisträgern Joshua Angrist und Guido Imbens sehr herzlich zu der mit dem Nobelpreis 2021 zuteil gewordenen Auszeichnung.“
Prof. Dr. Dr. h. c. Christoph M. Schmidt, geb. 1962, studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim (Diplom-Volkswirt 1987) und wurde an der Princeton University promoviert (MA 1989, Ph.D. 1991). Betreut wurde er von David Card (Nobelpreis 2021) und Angus Deaton (Nobelpreis 2015). 1995 habilitierte er sich an der Universität München. Seit 2002 ist er Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Von 2009 bis 2020 war er Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, von März 2013 bis Februar 2020 dessen Vorsitzender. Seit Oktober 2019 ist er Mitglied, seit März 2020 Ko-Vorsitzender des Deutsch-Französischen Rates der Wirtschaftsexperten.
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