Deutsche Konjunktur derzeit im Zwischentief
Das RWI Essen geht für das Jahr 2008 weiterhin von einem Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,7% aus und bleibt damit bei seiner Prognose vom Dezember 2007. Zwar rechnet es damit, dass die kräftige Aufwertung des Euro, steigende Rohstoffpreise und ungünstigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen dafür sorgen, dass das Tempo der Expansion nachlässt. Jedoch scheint die deutsche Wirtschaft mit mehr Schwung ins neue Jahr gestartet zu sein als bisher angenommen. Belastet wird die Expansion aber durch die hohe Teuerung; die Inflationsrate wird für 2008 auf 2,5% geschätzt. Für 2009 erwartet das RWI Essen ein BIP-Wachstum von 1,8%. Dabei wird die Arbeitslosenquote im nächsten Jahr voraussichtlich weiter auf 6,8% sinken. Das staatliche Budgetplus dürfte dann bei 0,3% des BIP liegen.
Diese Prognose geht unter anderem davon aus, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr verhaltener wächst. Das Weltsozialprodukt dürfte preisbereinigt 2008 um 2,5% und 2009 um 2,9% zunehmen. Daraus errechnet sich ein Wachstum von 5,5% beziehungsweise 7% für den Welthandel. Zu beachten ist allerdings, dass die Prognoseunsicherheit erfahrungsgemäß in einer konjunkturellen Wechsellage wie der derzeitigen besonders groß ist. So liegt der Prognose die Annahme zugrunde, dass sich die Lage an den Finanzmärkten normalisiert und die US-Hypothekenkrise abklingt.
Die Konjunktur in Deutschland hat sich gegen Ende 2007 abgekühlt. Dies liegt noch nicht an Bremswirkungen aus dem internationalen Umfeld, sondern vor allem daran, dass die privaten Konsumausgaben überraschend zurückgingen. Die Unternehmen haben ihre Investitionen hingegen sogar verstärkt ausgeweitet, wohl auch, um die noch günstigeren Abschreibungsbedingungen zu nutzen. Es wurden in beträchtlichem Maße Arbeitsplätze geschaffen, die Arbeitnehmereinkommen nahmen wieder deutlicher zu. Die Kaufkraft wurde jedoch durch die anziehende Teuerung gedämpft. Diese erreichte im November 2007 mit 3,3% den höchsten Wert seit 1993. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhöhte sich im Jahresdurchschnitt um 2,5%.
Das RWI Essen erwartet, dass die Expansion des BIP in diesem Jahr an Tempo verlieren wird, insbesondere dürften die Ausfuhren und die Investitionen schwächer zunehmen. Verantwortlich hierfür dürften vor allem die kräftige Aufwertung des Euro, der fortgesetzte Anstieg der Rohstoffpreise und der Weltmarktpreise für Industrierohstoffe und Nahrungsmittel sowie die ungünstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen sein. Die Einkommen der privaten Haushalte dürften hingegen aufgrund der höheren Beschäftigung und deutlicherer Lohnsteigerungen etwas rascher zunehmen. Trotz gestiegener Nahrungsmittel- und Energiepreise ist daher damit zu rechnen, dass die privaten Konsumausgaben in diesem Jahr wieder ausgeweitet werden, wenn auch recht verhalten. Vor diesem Hintergrund erwartet das RWI Essen für das Jahr 2008 ein BIP-Wachstum von 1,7% und bleibt damit bei seiner Prognose vom Dezember 2007. Im Jahr 2009 dürfte das BIP im Jahresdurchschnitt um 1,8% zunehmen. Hierbei ist unterstellt, dass sich die Lage an den Finanzmärkten normalisiert und die US-Hypothekenkrise abklingt. Unter diesen Annahmen dürfte auch die Teuerung im Prognosezeitraum nachlassen, das RWI Essen erwartet eine Inflationsrate von 2,5% in diesem und 2,0% im kommenden Jahr.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich voraussichtlich weiter verbessern. Die Arbeitslosenquote dürfte - allerdings auch begünstigt durch demographische Faktoren - auf 7,7% im Durchschnitt dieses Jahres und auf 6,8% im Jahr 2009 sinken.
Obwohl die Finanzpolitik inzwischen deutlich expansiv ausgerichtet ist, wird sich die Lage der öffentlichen Haushalte im Prognosezeitraum tendenziell weiter verbessern. Nach einem ausgeglichenen Haushalt im vergangenen Jahr erwartet das RWI Essen für dieses Jahr eine Defizitquote von 0,3% des BIP. Für das nächste Jahr wird ein Plus von 0,3% prognostiziert, auch weil heimliche Steuererhöhungen das Steueraufkommen steigen lassen.
Ein binnenwirtschaftliches Risiko ist die hohe Teuerung, durch die sich die Gefahr erhöht hat, dass eine Preis-Lohn-Spirale entsteht, in deren Verlauf die Inflationsraten zunehmen. Die Geldpolitik befindet sich hier in einem Dilemma: einerseits soll sie auf die Verunsicherung der Finanzmärkte und die konjunkturellen Risiken angemessen reagieren, was tendenziell eher für Zinssenkungen spricht. Andererseits ist es ihre Aufgabe, die Preisniveaustabilität zu sichern, was derzeit gegen Zinssenkungen spricht.
Gleichzeitig mit der aktuellen Konjunkturprognose legt das RWI Essen erstmals eine Mittelfristprojektion für den Zeitraum 2008 bis 2012 vor. Diese wurde gemeinsam mit dem Wiener Institut für Höhere Studien (IHS) erarbeitet. Sie gelangt zu der Einschätzung, dass die deutsche Wirtschaft mittelfristig mit einer Rate von 1,75% wächst. Zu diesem im Vergleich zu den vergangenen Jahren etwas stärkeren trendmäßigen Wachstum trägt bei, dass das Arbeitsvolumen, das im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2007 nur um 0,2% jährlich zugenommen hatte, sich nun wieder um 0,5% Prozent pro Jahr erhöhen dürfte, vor allem weil der Anteil der Beschäftigten an den Erwerbspersonen steigt.
Internationale Konjunktur erholt sich 2008 nach schwachem Start
Die internationale Konjunktur hat sich um die Jahreswende 2007/08 abgekühlt, insbesondere in den USA, wo das BIP im vierten Quartal 2007 kaum noch zunahm. In Japan ist das BIP zum Jahresende zwar recht kräftig gewachsen, vorlaufende Indikatoren zeigen jedoch auch hier eine Abkühlung an. In den europäischen Ländern haben die Auftriebskräfte weniger stark nachgelassen. Die chinesische Wirtschaft wuchs gegen Ende 2007 erneut zweistellig.
In der ersten Jahreshälfte 2008 dürfte die Expansion in den Industrieländern schwach bleiben. Für die USA erwartet das RWI Essen für dieses Jahr nach einem kraftlosen ersten Halbjahr eine allmähliche Erholung. Zwar erwarten manche Beobachter, dass eine flaue US-Konjunktur die wirtschaftliche Entwicklung in der Welt unter anderem wegen einer kräftigen Expansion in den Schwellenländern weniger belasten wird als in früheren Zeiten. Allerdings sind gerade die Schwellenländer eng mit den USA verflochten, so dass die dortige Abschwächung mit zeitlicher Verzögerung und regional differenziert auf die übrigen Volkswirtschaften durchschlägt. Das Weltsozialprodukt dürfte preisbereinigt - gewichtet mit dem BIP in Dollar - in diesem Jahr um 2,5% und im kommenden Jahr um 2,9% zunehmen, nach 3,2% im vergangenen Jahr. Der Welthandel dürfte in diesem Jahr um 5,5%, im nächsten Jahr um 7% wachsen, nachdem er 2007 um 6% gestiegen war.
In konjunkturellen Wechsellagen ist die Prognoseunsicherheit erfahrungsgemäß besonders groß. Es ist keineswegs als gesichert anzusehen, dass die Weltwirtschaft tatsächlich resistenter gegenüber einer Konjunkturschwäche in den USA geworden ist. Dies gilt umso mehr, als die Finanzmarktturbulenzen weltweit Spuren hinterlassen, die Risikoaufschläge überall steigen und die Banken in vielen Ländern restriktiver bei der Kreditvergabe geworden sind.
(veröffentlicht in "RWI : Konjunkturberichte", Heft 1/2008)
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