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Bedingungsloses Grundeinkommen könnte nur durch starke Steuererhöhungen finanziert werden

Die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) in existenzsicherndem Umfang würde die staatlichen Transferzahlungen erhöhen. Um es zu finanzieren, wären daher deutliche Steuererhöhungen notwendig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des Instituts für Volkswirtschaftslehre und Recht (IVR) der Universität Stuttgart. Die Umverteilungswirkung des BGE hängt davon ab, wie die damit einhergehende Steuerreform gegenfinanziert wird.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Einführung eines existenzsichernden bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) bei gleichzeitigem Wegfall von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld I und II, der Grundsicherung im Alter und dem Kindergeld würde das deutsche Sozialsystem erheblich vereinfachen. Der bürokratische Aufwand zur Gewährleistung des Existenzminimums würde erheblich reduziert. Die Einführung eines BGE würde allerdings die Höhe der staatlichen Transferzahlungen stark erhöhen, zur Finanzierung wären deutliche Steuererhöhungen notwendig. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des RWI und der Universität Stuttgart.
  • Die Untersuchung schätzt die Verteilungswirkungen, Finanzierungsbedarfe und Umsetzungsmöglichkeiten eines BGE im Vergleich zum Gesetzesstand 2021 ab: Demnach betrügen die staatlichen Ausgaben für ein existenzsicherndes BGE bis zu 900 Milliarden Euro. Eine Flat Tax (einheitlicher Steuersatz mit einer Tarifstufe und konstantem Grenzsteuersatz) von 66,1 Prozent könnte ein BGE von monatlich 1.000 Euro für Erwachsene und 500 Euro für Kinder finanzieren. Ein geringerer Steuersatz von 61,2 Prozent wäre möglich, wenn das BGE abhängig von Haushaltszusammensetzung und Wohnort ist. Im Vergleich zum Status quo ergäbe sich eine deutliche Umverteilung: Haushalte in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung würden im Durchschnitt begünstigt – zu Lasten der oberen 50 Prozent.
  • Um das BGE mit einem Einheitssteuersatz von 48 Prozent zu finanzieren, müssten laut der Modellrechnung die Verwaltungsausgaben im Sozialsystem erheblich reduziert werden und zusätzlich im Bundeshaushalt jährlich insgesamt 224 Milliarden Euro an anderer Stelle eingespart werden.  
  • Die Höhe der staatlichen Transferzahlungen würde gegenüber den Kosten des aktuellen Transfersystems deutlich steigen, weil das Grundeinkommen an jeden Bürger gezahlt würde. Zur Finanzierung wären demnach deutliche Steuererhöhungen notwendig, da nicht sämtliche im Sozialbudget enthaltenen Leistungen wegfallen könnten – aus verfassungsrechtlichen Gründen, zur Sicherung von Bedarfen bei besonderen Umständen oder weil private Ansprüche bestehen.
  • Die Umverteilungswirkung des BGE hängt davon ab, wie die zur Gegenfinanzierung notwendige Steuerreform ausgestaltet ist. Besonders stark ausgeprägt ist die Umverteilungswirkung, wenn die Grenzsteuersätze des Einkommensteuertarifs angehoben werden und die Progressivität des Tarifs beibehalten wird, d. h. der Steuersatz in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen steigt.
  • Eine Reformoption, die dem Ist-Zustand am nächsten kommt, ist in einem zweistufigen Einkommensteuertarif konstruiert. Der Eingangssteuersatz müsste 70 Prozent betragen und eine zweite Stufe mit einem Grenzsteuersatz von 48 Prozent enthalten – ab einem zu versteuernden Einkommen von 44.879 Euro bzw. 22.480 Euro, wenn das BGE wohnort- und haushaltsabhängig ist.
  • Um die Verteilungswirkungen, Finanzierungsbedarfe und Umsetzungsmöglichkeiten des BGE zu schätzen, verwenden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das RWI-Einkommensteuer-Mikrosimulationsmodell (EMSIM) auf Grundlage einer repräsentativen Haushaltsbefragung, dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), und Daten von ImmobilienScout24.

„Unsere Analyse zeigt, dass die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in existenzsichernder Höhe sehr teuer wäre und nur durch starke Steuererhöhungen finanziert werden könnte“, sagt Projektleiter Robin Jessen, stellvertretender Leiter des RWI-Kompetenzbereichs „Wachstum, Konjunktur, Öffentliche Finanzen“. „Im oberen Einkommensbereich sinkt der Arbeitsanreiz und die gearbeiteten Stunden würden zurückgehen – das wäre eine kontraproduktive Entwicklung für den angespannten Arbeitsmarkt, auf dem bereits jetzt viele Stellen nicht besetzt werden können.“

Die Pressemitteilung des Instituts für Volkswirtschaftslehre und Recht (IVR) der Universität Stuttgart finden Sie hier.

Ihre Ansprechpartner dazu:

Dr. Robin Jessen, robin.jessen@rwi-essen.de, Tel. (030) 2021 598-23,
Alexander Bartel (Kommunikation), alexander.bartel@rwi-essen.de, Tel.: (0201) 8149-354

Dieser Pressemitteilung liegt das Gutachten „Ersatz von (ausgewählten) Sozialleistungen und -Abgabe in Deutschland durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen und ein reformiertes Einkommenssteuersystem“ von Frank C. Englmann (Projektleitung), Robin Jessen (Projektleitung), Benjamin Bätz, Susanne Becker, Frank Calisse, Niklas Isaak, Phillip Jäger, Antonia-Sofie Meier, Tiara Moch und Yonas Ogbamicael zugrunde.