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RWI Konjunkturberichte

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Inflationsschub lässt Produktion zurückgehen

Die deutsche Wirtschaft steht wie die Weltwirtschaft insgesamt unter erheblichem Druck durch die hohe Inflation, die großen Unsicherheiten, vor allem im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, die weiterhin bestehenden Störungen der globalen Lieferketten und die nach wie vor spürbaren Folgen der Corona-Pandemie. Im Ergebnis ging das saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA, im Vereinigten Königreich und in China bereits im zweiten Quartal zurück, während es in Deutschland noch leicht ausgeweitet wurde. Die Belastungen der deutschen Wirtschaft dürften in den kommenden Monaten noch weiter zunehmen. Das Ende der Gaslieferungen aus Russland erhöht das Risiko, dass die im Winter steigende Gasnachfrage durch das Angebot nicht gedeckt werden kann. In dieser Prognose ist unterstellt, dass die zunehmende Gasnachfrage im Winter dazu führt, dass die Preise weiter steigen und so den Auftrieb der Verbraucherpreise verstärken. Dabei wird angenommen, dass die Einsparungen bei den privaten Haushalten und den Unternehmen zusammen mit einer Reduzierung der deutschen Gasexporte ausreichen, dass es zu keiner gravierenden Rationierung von Gas kommt. Selbst in diesem Fall dürften die negativen Impulse vor allem der kräftig steigenden Gaspreise dazu führen, dass die Produktion im zweiten Halbjahr zurückgeht. Auch für den Beginn des kommenden Jahres ist noch keine vollständige Erholung zu erwarten. Erst wenn im Frühjahr die Nachfrage nach Gas sinkt und die Entspannung der Lieferketten nach und nach spürbarer wird, dürfte die Produktion wieder deutlicher ausgeweitet werden. Im Jahr 2024 werden sich die Zuwachsraten des BIP wohl wieder dem Wachstum des Produktionspotenzials annähern. Das BIP dürfte im laufenden Jahr um 1,1% ausgeweitet werden. Für das kommende Jahr erwarten wir einen Anstieg von 0,8% und für das Jahr 2024 von 2,6%. Trotz der rückläufigen Produktion dürfte der Arbeitsmarkt relativ stabil bleiben. Angesichts des für viele Unternehmen deutlich spürbaren Fachkräftemangels dürften sie weiterhin bereit sein, Einstellungen vorzunehmen, so dass die Zahl der Erwerbstätigen auch im zweiten Halbjahr 2022 und zu Beginn des Jahres 2023 leicht steigen. Die Arbeitslosenquote wird durch die Berücksichtigung der Flüchtlinge aus der Ukraine im dritten Quartal 2022 voraussichtlich von 5,1% auf 5,5% steigen und im Prognosezeitraum in etwa auf diesem Niveau verharren. Der kräftige Anstieg der Gaspreise sowie das Durchwirken durch die Produktionsketten werden die Inflationsraten bis zum Ende des Jahres anziehen lassen. Mit dem Ende der Heizperiode dürfte der Rückgang der Nachfrage aber für eine gewisse Entlastung sorgen. Auch die sich abschwächende Konjunktur dürfte den Preisauftrieb dämpfen. Die Inflationsrate wird im Durchschnitt dieses Jahres voraussichtlich 7,3% betragen. Für das kommende Jahr ist mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3,5% und für das Jahr 2024 von 1,6% zu rechnen. Das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte dürfte 2022 mit gut 45 Mrd. Euro deutlich geringer ausfallen als im Vorjahr (134 Mrd. Euro), trotz einer Reihe einnahmemindernder Maßnahmen und einmaliger Transfers zur Abfederung der steigenden Gaspreise. In den folgenden Jahren dürfte das Finanzierungsdefizit geringfügig auf gut 49 Mrd. Euro im Jahr 2023 steigen. Im Jahr 2024 dürfte es auf knapp 28 Mrd. zurückgehen.

Schmidt, T., G. Barabas, N. Benner, B. Blagov, M. Dirks, D. Grozea-Helmenstein, N. Isaak, R. Jessen, F. Kirsch, P. Schacht und K. Weyerstraß (2022), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Inflationsschub lässt Produktion zurückgehen. RWI Konjunkturberichte, 73, 3, 5-51

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