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RWI Konjunkturberichte

2015

Roland Döhrn, György Barabas, Angela Fuest, Heinz Gebhardt, Philipp David An de Meulen, Martin Micheli, Svetlana Rujin, Lina Zwick

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Konjunktur bleibt aufwärts gerichtet

Die deutsche Konjunktur blieb in der ersten Hälfte dieses Jahres aufwärts gerichtet. Die Zuwächse entsprachen in etwa der Ausweitung des Produktionspotenzials, womit sich die im Jahr 2014 leicht negative Produktionslücke nicht nennenswert geschlossen haben dürfte. Getragen wurde die Expansion weiterhin von den privaten Konsumausgaben, die allerdings im Zeitverlauf an Schubkraft verloren. Zuletzt trug der Außenbeitrag nach zwei negativen Quartalen wieder deutlich zur Expansion bei – wohl vor allem wegen der an-ziehenden Konjunktur im Euro-Raum und der Abwertung des Euro. Allerdings lassen die Auftragseingänge erwarten, dass sich die Ausfuhren in den kommenden Monaten wenig dynamisch entwickeln. Insbesondere die Bestellungen aus Ländern außerhalb des Euro-Raums sind zuletzt spürbar eingebrochen. Gleichwohl dürfte die deutsche Konjunktur im Prognosezeitraum aufwärtsgerichtet bleiben. Die gute Lage am Arbeitsmarkt beschert den privaten Haushalten Einkommenszuwächse, die durch höhere staatliche Transfers verstärkt werden. Dadurch dürften die privaten Konsumausgaben und die Investitionen in Wohneigentum spürbar ausgeweitet werden. Dazu tragen auch die niedrigen Zinsen bei. Auch bei den Unternehmensinvestitionen sind kräftigere Zuwächse zu erwarten. Allerdings wird die Investitionsdynamik voraussichtlich deutlich hinter der in früheren Aufschwungphasen zurückbleiben. Der Export dürfte von gegenläufigen Tendenzen geprägt sein – der Konjunkturbelebung im Euro-Raum einerseits, der langsameren Expansion in den Schwellenländern anderer-seits. Alles in allem prognostizieren wir eine Zunahme des BIP in diesem Jahr um 1,8%. Für das kommende Jahr erwarten wir einen Zuwachs in gleicher Höhe. Das Expansionstempo dürfte im Jahresverlauf etwas zurückgehen, weil die stimulierenden Wirkungen sinkender Rohölpreise auf die Kaufkraft auslaufen. Die Inflationsrate wird voraussichtlich 0,3% in diesem und 1,4% im kommenden Jahr betragen. Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich weiter verbessern, aber langsamer als in den vergangenen Jahren. Bremsend auf den Beschäftigungsaufbau wirkt allem Anschein nach die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Sie ließ zum Jahresanfang 2015 die ge-ringfügige Beschäftigung zurückgehen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat demgegenüber deutlich zugenommen, was nahelegt, dass Minijobs zum Teil in sozialversicherungspflichtige Stellen umgewandelt wurden. Auf Dauer dürften aber die durch den Mindestlohn in einigen Segmenten des Arbeitsmarktes kräftig gestiegenen Arbeitskosten sich negativ auf die Beschäftigung auswirken. Auf die Arbeitslosigkeit schlägt der Beschäftigungsaufbau weiterhin nur unterproportional durch. Im kommen-den Jahr wird der derzeit hohe Zustrom von Asylsuchenden und Flüchtlingen nach und nach am Arbeitsmarkt ankommen. Dies kann einerseits dazu beitragen, dass offene Stellen, deren Zahl bis zuletzt kräftig zunahm, rascher besetzt werden. Andererseits wird sich wohl die registrierte Arbeitslosigkeit erhöhen. Wir erwarten daher für dieses und für das kommende Jahr eine Arbeitslosenquote von 6,4%. Der Staat konnte 2014 einen Budgetüberschuss von 8,9 Mrd. € erzielen, was 0,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt entspricht. In diesem Jahr dürfte aufgrund der guten Konjunktur und rückläufiger Zinsausgaben eine höhere Überschussquote von 0,6% er-zielt werden. Für das kommende Jahr ist ein geringerer Überschuss von 0,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zu erwarten. Zum einen ist die Finanzpolitik expansiv ausgerichtet, zum anderen führt der derzeit hohe Zustrom an Asylsuchenden und Flüchtlingen zu Mehrausgaben des Staates. Risiken drohen der deutschen Wirtschaft vor allem aus dem internationalen Umfeld. Die in den vergangenen Jahren schwächere Expansion des internationalen Warenaus-tauschs scheint kein konjunkturelles Phänomen zu sein, sondern lässt auf eine dauer-hafte Veränderung der Relation von Welthandel zu Weltproduktion schließen. Für eine exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche birgt dies die Gefahr, dass es zu strukturellen Anpassungsreaktionen kommt, die nicht ohne Reibungsverluste verlaufen dürften.

Döhrn, R., G. Barabas, A. Fuest, H. Gebhardt, P. An de Meulen, M. Micheli, S. Rujin und L. Zwick (2015), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Konjunktur bleibt aufwärts gerichtet. RWI Konjunkturberichte, 66, 3, 39-98

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