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RWI Konjunkturberichte

2016

Roland Döhrn, György Barabas, Angela Fuest, Heinz Gebhardt, Martin Micheli, Svetlana Rujin, Lina Zwick

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: In schwierigem Fahrwasser

Der Konjunkturaufschwung in Deutschland setzte sich bis Ende des Jahres 2015 fort, wenn auch mit etwas abnehmendem Tempo. Treibende Kraft blieb die Inlandsnachfrage, während der Außenhandel per saldo den Anstieg des BIP dämpfte. Infolgedessen ist die Entwicklung zweigeteilt: Für die Industrie deuten die Indikatoren auf ein alles in allem verhaltenes Wachstum hin, während die Dienstleistungssektoren wohl weiterhin kräftig zulegen. Daran dürfte sich im Prognosezeitraum wenig ändern. Für 2016 erwarten wir eine Zunahme des BIP um 1,4%. Es erhöht sich damit in einem Maße, das in etwa der Zunahme des Produktionspotenzials entspricht. Getragen wird die Expansion voraussichtlich allein von der Inlandsnachfrage, während der Wachstumsbeitrag des Außenhandels wohl negativ bleibt, weil die Einfuhren bedeutend stärker zunehmen als die Ausfuhren. Angesichts der ungünstigen Perspektiven auf den Auslandsmärkten dürften die Unternehmensinvestitionen eher moderat zunehmen. Kräftig expandieren hingegen die privaten Konsumausgaben, die Lohnungsbauinvestitionen und der Staatsverbrauch. Eine Ursache sind die durch die Flüchtlingsmigration induzierten Transfers, die Konsumausgaben des Staates und die Aktivitäten zur Verbesserung des Wohnungsangebots; eine andere Ursache ist die Zinspolitik der EZB. Die geringen Kapitalmarktrenditen erhöhen die Attraktivität von Investitionen in Immobilien und Käufen langlebiger Konsumgüter. Stimulierend wirken zudem die expansiv ausgerichtete Finanzpolitik und die in diesem Jahr ungewöhnlich kräftige Anhebung der Altersrenten. Im kommenden Jahr dürfte die Expansion an Kraft gewinnen, da die dämpfenden Effekte seitens der Außenwirtschaft wegfallen. Zusätzliche staatliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau und Sonderabschreibungen lassen ebhaftere Wohnungsbauinvestitionen erwarten. Zugleich dürften die Realeinkommenswirkungen der gesunkenen Ölpreise auslaufen und die durch die Migration bedingten Konsumausgaben des Staates wohl geringer werden. Daher wird die Inländische Verwendung etwas schwächer, im längerfristigen Vergleich aber immer noch kräftig steigen. Die Zunahme des BIP schätzen wir vor diesem Hintergrund auf 1,6% im Jahresdurchschnitt. Augenblicklich wird die Teuerung wesentlich durch den Rückgang des Rohölpreises bestimmt, er wird im Prognosezeitraum an Wirkung verlieren. Angesichts der erwarteten kräftigen Steigerungen der Inlandsnachfrage wird sich der inländisch determinierte Preisanstieg voraussichtlich etwas beschleunigen. Alles in allem erwarten wir eine Inflationsrate von 0,4% in diesem und von 1,5% im kommenden Jahr. Die Beschäftigung dürfte im Prognosezeitraum weiter steigen, auch weil die Expansion vom personalintensiveren Dienstleistungssektor getragen wird. Da aber die nach Deutschland gekommenen Asylbewerber in zunehmendem Maße auf den Arbeitsmarkt treten, und deren Beschäftigungschancen gering sind, zeichnet sich für den Verlauf des Prognosezeitraums eine Zunahme der Arbeitslosigkeit ab; die Arbeitslosenquote dürfte 6,3% in diesem und 6,5% im kommenden Jahr betragen. Angesichts der expansiv ausgerichteten Finanzpolitik und der staatlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration dürfte der Budgetüberschuss des Staates von 19 Mrd. € im Vorjahr auf knapp 4 Mrd. € in diesem Jahr sinken. Für 2017 ist zwar mit weiteren Haushaltsbelastungen aus der Flüchtlingsmigration und einer expansiven Ausrichtung der Finanzpolitik zu rechnen, der Überschuss dürfte aber auf 8 Mrd. € zunehmen, weil Erlöse aus der Versteigerung der Funkfrequenzen im Höhe von 3,8 Mrd. € zu Buche schlagen. Allerdings bewegt sich die deutsche Wirtschaft in einem schwierigen Fahrwasser. Risiken resultieren vor allem aus dem internationalen Umfeld. Die Dynamik des Welthandels hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt, und aufgrund der Flüchtlingsmigration wurden in der EU wieder Personenkontrollen an den Grenzen eingeführt. Sollten sich diese Tendenzen fortsetzen, wäre das 'Geschäftsmodell' einer offenen, auf einen intensiven internationalen Warenaustausch ausgerichteten Volkswirtschaft gefährdet. Die Folge wären strukturelle Anpassungsprozesse, die einen Teil des deutschen Kapitalstocks entwerten würden und mit einem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden wären.

Döhrn, R., G. Barabas, A. Fuest, H. Gebhardt, M. Micheli, S. Rujin und L. Zwick (2016), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: In schwierigem Fahrwasser. RWI Konjunkturberichte, 67, 1, 37-110

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