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RWI Konjunkturberichte

Frühjahr 2024: Hohe gesamtwirtschaftliche Unsicherheit dämpft die Nachfrage

In Deutschland ist die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal 2023 recht deutlich zurückgegangen, nachdem sie in den drei Quartalen zuvor weitgehend stagniert hatte. Der Rückgang des BIP ist vor allem auf die Ausrüstungsinvestitionen zurück-zuführen. Auch der Rückgang der Bauinvestitionen hat sich noch einmal verstärkt. Der private Konsum entwickelte sich im Vergleich dazu relativ robust. Nicht zuletzt wird es für die Unternehmen anscheinend zunehmend zum Problem, dass sich die immer noch hohen Preise für Energie sowie Rohstoffe und Materialien als dauerhaft herausstellen. Zudem wirken die gestiegenen Zinsen dämpfend. Neben diesen Belastungen gibt es eine Reihe von Faktoren, die die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung erhöhen und dazu beitragen, dass die Stimmung in den Unternehmen aktuell ungewöhnlich schlecht ist. Derzeit scheinen insbesondere die Themen „Geopolitik“ und „Gesellschaft“ mit einer allgemeinen Verunsicherung verbunden zu sein, die Investitionen und privaten Konsum belastet. Vor diesem Hintergrund dürfte die Erholung des BIP im Verlauf dieses Jahres nur etwas an Fahrt gewinnen. Die hohe Unsicherheit dämpft weiterhin die Binnennachfrage. Dennoch dürften die privaten Haushalte angesichts deutlich steigender real verfügbarer Einkommen die Konsumnachfrage steigern. Sinkende Zinsen und eine etwas zunehmende Auslandsnachfrage dürften dann auch die Investitionen wieder stärker anziehen lassen. Für den Jahresdurchschnitt ist zu erwarten, dass das BIP in diesem Jahr um 0,3% ausgeweitet wird. Im Jahr 2025 wird das BIP wohl um 1,2% steigen. Die konjunkturelle Schwäche hat im vergangenen Jahr zu einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Die Arbeitsmarktindikatoren lassen zu Beginn des Jahres auf eine schwache Entwicklung der Beschäftigung schließen. Ab dem zweiten Halbjahr 2024 dürfte die Beschäftigung demografiebedingt ihren Zenit überschritten haben und bis zum Ende des Prognosezeitraums leicht sinken. Gleichzeitig dürfte die Arbeitslosigkeit wieder zurückgehen und im Jahresdurchschnitt 2024 5,7% und 2025 5,5% betragen. Die Inflationsrate ist auch im Februar im Vorjahresvergleich weiter zurückgegangen und betrug 2,5%. Insbesondere die rückläufigen Preise für Haushaltsenergie dämpfen derzeit den allgemeinen Preisanstieg. Angesichts der schwachen Konsum-nachfrage wird die Teuerung in den kommenden Monaten voraussichtlich weiter abnehmen. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Teuerungsrate in diesem Jahr 2,2% betragen, im Jahr 2025 lediglich noch 2,0%. Die Finanzpolitik ist in den beiden Prognosejahren restriktiv ausgerichtet. Ursächlich hierfür sind unter anderem der Wegfall der „Strom- und Gaspreisbremsen“ und wohl der Rückgang der Inanspruchnahme der abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie. Zudem wurden in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 einige Konsolidierungsmaßnahmen beschlossen, so etwa die schnellere Anhebung des CO2-Preises als zwischenzeitlich geplant oder die Erhöhung der Luftverkehrsteuer. Voraussichtlich werden die Bürger durch Anpassungen des Einkommensteuertarifs über die beschlossene Gesetzeslage hinaus entlastet. Das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit dürfte im laufenden Jahr auf knapp 46 Mrd. Euro zurückgehen. Im Jahr 2025 dürfte das Finanzierungsdefizit auf ähnlichem Niveau verbleiben und gut 48 Mrd. Euro betragen.

Schmidt, T., G. Barabas, N. Benner, B. Blagov, M. Dirks, D. Grozea-Helmenstein, N. Isaak, R. Jessen, F. Kirsch, C. Krause, P. Schacht und K. Weyerstraß (2024), Frühjahr 2024: Hohe gesamtwirtschaftliche Unsicherheit dämpft die Nachfrage. RWI Konjunkturberichte, 75, 1, 3-31

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