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Die wirtschaftliche Entwicklung zum Jahresende: Konjunktureller Dämpfer, aber keine tiefe Rezession

Die Konjunktur in Deutschland erweist sich zum Jahresende als erstaunlich robust. Im dritten Quartal wurde die Wirtschaftsleistung entgegen den Erwartungen vieler Prognostiker recht deutlich ausgeweitet. Hierzu trugen vor allem der private Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen bei, die sogar stärker zulegt als in den Vorquartalen. Der private Konsum wird anscheinend dadurch gestützt, dass die Haushalte während der Corona-Krise gebildete Ersparnisse auflösen, um Anschaffungen nachzuholen, die in den vergangenen Jahren nicht möglich waren. Zudem ist die Nachfrage nach Investitionsgütern wohl von den abnehmenden Lieferengpässen begünstigt worden. Lediglich in der energieintensiven Industrie ist es zu einem recht deutlichen Rückgang der Produktion gekommen. Im Winterhalbjahr dürften die Belastungen zunehmen, insbesondere für die privaten Haushalte. So steigen die Verbraucherpreise weiterhin kräftig. Inzwischen zeichnet sich zwar ab, dass der Höhepunkt bei der Teuerung erreicht sein dürfte. Zudem werden die privaten Haushalte und Unternehmen durch die im kommenden Jahr in Kraft tretenden Strom- und Gaspreisbremsen entlastet. Die Inflationsrate dürfte im kommenden Jahr aber immer noch 5,8% betragen, nach 7,9% in diesem Jahr. Im Jahr 2024 dürfte die Teuerung dann auf 2,5% zurückgehen. Die real verfügbaren Einkom-men werden besonders in diesem Winterhalbjahr noch einmal kräftig zurückgehen. Angesichts steigender Lohnabschlüsse ist zu erwarten, dass der private Konsum im Verlauf des kommenden Jahres wieder stärker ausgeweitet wird. Die Investitionen dürften im Zuge der konjunkturellen Erholung ebenfalls wieder stärker steigen. Alles in allem ist mit einem Anstieg des BIP in diesem Jahr von 1,8% zu rechnen. Die konjunkturelle Schwäche macht sich vor allem in der Jahresrate 2023 bemerkbar. Nach dieser Prognose ist im kommenden Jahr ein Rückgang des BIP im Jahresdurch-schnitt um 0,1% zu erwarten. Im Jahr 2024 wird das BIP voraussichtlich um 1,9% ausgeweitet. Der Arbeitsmarkt zeigt sich weiterhin robust. Jedoch verlangsamte sich der Anstieg der Beschäftigung zuletzt. Die konjunkturellen Unsicherheiten senken die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen und energieintensive Betriebe schicken ihre Mitarbeiter zum Teil wieder in Kurzarbeit. Die Anzahl der Arbeitslosen ist inzwischen gestiegen. Im weiteren Verlauf der Jahre 2023 und 2024 dürfte die Anzahl der Erwerb-stätigen zunächst merklich zulegen, bevor der Anstieg aufgrund des demografischen Wandels zum Ende des Prognosezeitraum hin stark abflacht. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Arbeitslosenquote im Jahr 2022 5,3% betragen, im kommenden Jahr auf 5,5% steigen und im Jahr 2024 wieder bei 5,3% liegen. Die Staatseinnahmen entwickeln sich im Prognosezeitraum robust. Einnahmen aus Unternehmenssteuern waren im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 überraschend hoch und dürften auf hohem Niveau bleiben. Die Staatsausgaben dürften 2022 moderat zulegen, obwohl Corona-bezogene Ausgaben, insbesondere Unternehmenshilfen, in großem Maße wegfallen. Die Hilfszahlungen bleiben aber wohl im Prognosezeit-raum im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren auf erhöhtem Niveau, da Gelder an Unternehmen, die unter hohen Energiepreisen leiden, fließen dürften. Zudem reagiert die Bundesregierung mit einer Reihe von Transfers auf die steigenden Energiepreise. Das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt dürfte im laufenden Jahr auf 2,5% zurückgehen, 2023 stagnieren und 2024 auf 1,3% zurückgehen.

Schmidt, T., G. Barabas, N. Benner, B. Blagov, M. Dirks, N. Isaak, R. Jessen, F. Kirsch, P. Schacht und K. Weyerstraß (2022), Die wirtschaftliche Entwicklung zum Jahresende: Konjunktureller Dämpfer, aber keine tiefe Rezession. RWI Konjunkturberichte, 73, 4, 5-39

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