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Deutsche Konjunktur behauptet sich in schwachem Umfeld

Das RWI erhöht seine Konjunkturprognose für Deutschland leicht und rechnet für das laufende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1%, nachdem es im März noch von 1,0% ausgegangen war. Die Erhöhung ist vor allem auf die kräftige Expansion im ersten Quartal zurückzuführen. Für das zweite Quartal 2012 zeichnet sich...

Das RWI erhöht seine Konjunkturprognose für Deutschland leicht und rechnet für das laufende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1%, nachdem es im März noch von 1,0% ausgegangen war. Die Erhöhung ist vor allem auf die kräftige Expansion im ersten Quartal zurückzuführen. Für das zweite Quartal 2012 zeichnet sich eine geringere Zunahme des BIP ab. Für 2013 erwartet das RWI unverändert ein BIP-Wachstum von 2,0%, dann dürften die weiterhin niedrigen Zinsen die deutsche Wirtschaft verstärkt stimulieren. Die Beschäftigung dürfte weiter steigen, in diesem Jahr langsam, im nächsten Jahr dann stärker. Die Lage der öffentlichen Haushalte dürfte sich im Prognosezeitraum weiter verbessern. Allerdings gehen insbesondere von anhaltenden Turbulenzen im Euro-Raum und einer verlangsamten Konjunktur im asiatischen Raum beachtliche Risiken aus.

Die deutsche Wirtschaft steht im Frühsommer 2012 unter dem Einfluss zweier gegenläufiger Tendenzen. Einerseits hat sich das internationale Umfeld spürbar eingetrübt. In den Schwellenländern wie auch in den USA hat die Expansion allem Anschein nach an Tempo verloren. Im Euro-Raum haben sich die Probleme bei den Staatsfinanzen verstärkt. Die Produktion war dort zuletzt rückläufig und er dürfte sich in einer Rezession befinden. Andererseits sind die binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hierzulande unverändert gut. Die Beschäftigung ist bis zuletzt gewachsen. Gestärkt wird die Kaufkraft der privaten Haushalte auch dadurch, dass die Rohstoffnotierungen in den vergangenen Wochen rückläufig waren, wodurch sich der Preisanstieg voraussichtlich verlangsamen wird. Außerdem sind die ohnehin schon niedrigen Zinsen weiter gesunken, was insbesondere die Bautätigkeit stimulieren dürfte. Allerdings schlägt die Krise in Europa im wachsenden Maße auch auf die deutsche Konjunktur durch. So war der Auftragseingang aus den Ländern des Euro-Raums zuletzt rückläufig, und das Geschäftsklima hat sich spürbar eingetrübt. Dies führt aller Erfahrung nach dazu, dass sich die Unternehmen bei ihren Investitionen zurückhalten.

Vor diesem Hintergrund erwartet das RWI für das Jahr 2012 nur eine mäßig auf-wärts gerichtete Konjunktur in Deutschland. Zwar wird das Bruttoinlandsprodukt um 1,1% zunehmen, dies ist aber zu einem guten Teil der kräftigen Expansion im ersten Quartal zu verdanken. Für das zweite Quartal 2012 zeichnet sich eine geringere Zunahme des BIP ab. Im Rest des Jahres dürften die niedrigen Zinsen und die steigenden Einkommen dafür sorgen, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion etwas stärker ausgeweitet wird. Das ungünstige internationale Umfeld dürfte aber einer kräftigen Expansion entgegenstehen. Im kommenden Jahr, wenn sich die Lage im Euro-Raum stabilisiert, werden die wohl weiterhin niedrigen Zinsen die deutsche Wirtschaft voraussichtlich verstärkt stimulieren. Dann dürfte das BIP um 2,0% ausgeweitet werden.

Binnennachfrage und Exporte stützen die deutsche Konjunktur

Treibende Kraft der deutschen Konjunktur wird in diesem und im kommenden Jahr voraussichtlich die Binnennachfrage sein. Insbesondere die Bauinvestitionen und der private Konsum dürften kräftig ausgeweitet werden. Die Ausrüstungsinvestitionen hingegen dürften aufgrund der großen Verunsicherung unter den Unternehmen in diesem Jahr zunächst sinken und erst im weiteren Verlauf zunehmen. Obwohl die Exporte nur schwach expandieren dürften, wird der Außenbeitrag in diesem Jahr voraussichtlich leicht zur Ausweitung des BIP beitragen. Aufgrund der rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen und schwacher Auslandsabsätze dürften nämlich die Einfuhren in der ersten Hälfte von 2012 noch stärker zurückgehen als die Ausfuhren.

Aufgrund der schwächeren Konjunktur dürfte der Aufschwung am Arbeitsmarkt in diesem Jahr zwar ins Stocken kommen. Da jedoch in vielen Bereichen Arbeitskräfte knapp sind, werden die Unternehmen auch weiterhin bemüht sein, ihr Personal zu halten, notfalls unter Hinnahme eines vorübergehenden Rückgangs der Produktivität. Da von der kräftigen Inlandsnachfrage arbeitsintensive Sektoren überdurchschnittlich profitieren, dürfte die Erwerbstätigkeit weiterhin zunehmen, wenn auch schwächer als im vergangenen Jahr. 2013 dürfte sich der Beschäftigungsaufbau wieder beschleunigen. Die Arbeitslosigkeit wird wohl weiterhin langsamer abgebaut als dies die Beschäftigungsentwicklung nahelegen würde, auch weil es aufgrund der im europäischen Vergleich guten Lage am deutschen Arbeitsmarkt erneut zu einer nennenswerten Zuwanderung kommen dürfte.

Inflation dürfte sinken, öffentliche Haushalte entlastet werden

Mit der schwächeren Konjunktur und rückläufigen Preisen an den Rohstoffmärkten dürfte sich der Preisauftrieb verlangsamen. Für den Jahresdurchschnitt 2012 erwarten wir einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,9%, für 2013 einen um 1,7%. Die Lage der öffentlichen Finanzen dürfte sich 2012 und 2013 weiter etwas verbessern, da die Struktur der Expansion weiterhin steuerergiebig ist, zumal es aufgrund der anhaltenden Preissteigerungen weiterhin zu heimlichen Steuererhöhungen kommen wird. Die Defizitquote dürfte auf 0,3% in diesem Jahr sinken. Im kommenden Jahr dürfte ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden.

Alles in allem dürfte die deutsche Konjunktur nach der Belebung im ersten Quartal einen leichten Rückschlag erleiden. Ein Abgleiten in eine Rezession halten wir allerdings für wenig wahrscheinlich. Jedoch bleiben die Abwärts-Risiken beträchtlich. Insbesondere im Euro-Raum dürfte es aufgrund der ungelösten Probleme bei den Staatsfinanzen immer wieder zu Turbulenzen kommen, die die Rezession dort verschärfen können. Verlangsamt sich zudem die Konjunktur im asiatischen Raum stärker als hier unterstellt, könnte auch Deutschland in eine Rezession geraten.

Ihre Ansprechpartner dazu:
Prof. Dr. Roland Döhrn Tel. (0201) 81 49-262, E-Mail
Sabine Weiler (Pressestelle) Tel.: (0201) 81 49-213, E-Mail

 

Eckwerte der Prognose vom Juni 2012
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

 

2011

 
 

2012S

 
 

2013S

 
Bruttoinlandsprodukt13,01,12,0
Verwendung1   
Konsumausgaben1,31,21,5
   Private Haushalte21,41,11,5
   Staat1,11,71,6
Anlageinvestitionen6,40,95,0
   Ausrüstungen7,6-0,17,0
   Bauten5,81,23,6
   Sonstige Anlagen4,83,55,5
Vorratsveränderung (Wachstumsbeitrag)0,2-0,30,1
Inlandsnachfrage2,50,92,2
Außenbeitrag (Wachstumsbeitrag)0,70,3-0,1
   Ausfuhr8,22,64,7
   Einfuhr7,82,25,5
Erwerbstätige3, in 1 00041 09641 58541 855
Arbeitslose4, in 1 0002 9762 8352 645
Arbeitslosenquote5, in %7,16,76,2
Verbraucherpreise62,31,91,7
Lohnstückkosten71,43,31,7
Finanzierungssaldo des Staates8
in Mrd. €
in % des nominalen BIP

-25,6
-1,0

-9
-0,3

0
0,0
Leistungsbilanzsaldo9, in Mrd. €147,7153158

 
Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, der Deutschen Bundesbank und der Bundesagentur für Arbeit. - 1Preisbereinigt. -2Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. -  3Im Inland. - 4Nationale Abgrenzung. - 5In Abgrenzung der Bundesagentur für Arbeit (bezogen auf inländische Erwerbspersonen). - 6Verbraucherpreisindex. - 7Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigten bezogen auf das reale BIP je Erwerbstätigen. - 8In der Abgrenzung der VGR. -9In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik. - SEigene Schätzung.