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Preiseingriffe? Lieber runter mit den Steuern

Die Kosten der geplanten Strompreisbremse könnte den Nutzen übersteigen

Steigen die Preise auf einem Markt stark an, löst das in der Politik häufig den Reflex aus, in die Preisbildung einzugreifen. Nach der Mietpreisbremse und dem Tankrabatt soll nun eine Strompreisbremse kommen. Damit gemeint ist eine vergünstigte Abgabe einer noch unbestimmten Basismenge an Strom durch die Stromversorger. Damit der Anreiz zum Stromsparen über die Preissignale erhalten bleibt, soll für den Stromverbrauch oberhalb der Basismenge der Marktpreis gelten.

Nach einer von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) getwitterten Beispielrechnung könnte diese Basismenge bei 75 Prozent des Durchschnittsverbrauchs der Haushalte liegen. Die Strompreisbremse könnte den Preis für den Basisverbrauch auf 30 Cent je Kilowattstunde begrenzen. Familien mit zwei Kindern mit einem Stromverbrauch von 4133 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr würden bei einer vergünstigten Basismenge von 3100 kWh nach dieser Beispielberechnung um 308 Euro im Jahr entlastet werden.

Ein großes Problem bei der Strompreisbremse sind die erwartbar hohen Transaktionskosten für den Staat und die Stromversorger. Der Staat müsste jedem einzelnen Stromversorger Entschädigungen für die vergünstigte Abgabe von Strom zahlen. Die Ermittlung der entsprechenden Entschädigungen würde sowohl bei den Stromversorgern als auch bei den staatlichen Stellen einen hohen bürokratischen Aufwand und damit Zusatzkosten verursachen. Die Kosten könnten den vermeintlichen Nutzen der Preisbremse übersteigen.

Eine mit deutlich weniger Transaktionskosten verbundene Entlastungsmaßnahme wäre die Senkung der Stromsteuer. Diese könnte von aktuell 2,05 Cent je kWh auf das EU-weite Minimum reduziert werden, das für private Haushalte bei 0,1 Cent je kWh liegt. Dadurch ergäbe sich je Kilowattstunde eine Entlastung von 1,95 Cent - die Mehrwertsteuer, die auch auf die Stromsteuer erhoben wird, nicht mitgerechnet. Die Stromsteuersenkung würde in unbürokratischer Weise allen Haushalten helfen, insbesondere auch den einkommensschwachen.

Daneben sollte die Politik weitere Maßnahmen ergreifen, um die Verbraucher beim Strompreis substanziell zu entlasten, vor allem durch die Finanzierung sämtlicher Umlagen auf den Strompreis aus Steuermitteln. Die Entlastung der Stromverbraucher durch die Senkung von Steuern und weiterer Abgaben wie der KWKG-Umlage zur Förderung der Kraftwärmekopplung ist aus vielerlei Gründen ratsam. Erstens kann dadurch die sogenannte Sektorkopplung vorangetrieben werden, bei der zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von Sektoren wie dem Verkehr und dem Gebäudebereich vermehrt grüner Strom eingesetzt werden soll. Zweitens ist die Stromsteuer seit Einführung des EU-Emissionshandelssystems im Jahr 2005 weitgehend redundant, da beide den Klimaschutz zum Ziel haben. Drittens würde die Senkung der Abgaben auf Strom einen Fehler im System bereinigen: Aus ökonomischer Sicht sollten nicht die Stromverbraucher - und damit in hohem Maße auch einkommensschwache Haushalte - für die Förderung vieler Maßnahmen wie der Kraftwärmekopplung oder den Aufbau der Netze zum Anschluss von Windparks in Nord-und Ostsee aufkommen, sondern die Steuerzahler. Dadurch wäre eine sozial ausgewogene Verteilung der Kosten gewährleistet.

Neben diesen Maßnahmen sollte man die Strompreise vor allem dadurch dämpfen, dass das Angebot am Strommarkt massiv ausgebaut wird, anstatt es noch weiter zu reduzieren. Kurzfristig wäre es daher hilfreich, wenn die drei verbliebenen Kernkraftwerke über das Jahresende weiter betrieben würden - mindestens bis ins kommende Frühjahr, besser noch bis übernächstes Jahr.

Zu begrüßen ist zwar, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien stark vorangetrieben wird. Dennoch wird dieser auf absehbare Zeit allein nicht ausreichen, um die Stromversorgung zu sichern. Die Politik müsste daher unvoreingenommen eine technologieoffene Innovationsoffensive starten, die allen Technologien eine Chance gibt. Tabus, wie etwa beim Fracking-Verbot, sollten wir uns künftig nicht leisten.

 

Der Originalbeitrag erschien im Print in der "Der Welt" am 04.10.2022