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Sommer 2025: Öffentliche Ausgaben treiben die Konjunktur, private Impulse bleiben schwach

Die deutsche Wirtschaft stand im ersten Halbjahr des Jahres 2025 erheblich unter Druck. Die Ankündigung von neuen US-Zöllen auf EU-Importe hat dazu geführt, dass Warenausfuhren vorgezogen wurden. Das ließ das BIP im ersten Quartal zunächst kräftig steigen, sorgte dann aber im zweiten Quartal für eine Gegenbewegung. Zwar haben sich EU-Kommission und US-Regierung inzwischen geeinigt, doch die Vereinbarung bleibt vage. Das Risiko eines Wiederaufflammens des Konflikts ist daher durchaus hoch. Zusätzlich haben die langwierigen Haushaltsverhandlungen der neuen Bundesregierung sowie der Streit über zentrale wirtschafts- und sozialpolitische Fragen für Unsicherheit gesorgt. Das dürfte dazu beigetragen haben, dass die privaten Investitionen im zweiten Quartal zurückgingen. Auch die Verbraucher gaben angesichts des schwachen Arbeitsmarkts wieder weniger Geld für Konsumgüter aus. All dies hat dazu geführt, dass die konjunkturelle Grunddynamik weiterhin eher schwach ist. Zwar zeigen die revidierten Daten, dass der Rückgang des BIP bereits zur Jahresmitte des vergangenen Jahres gestoppt war und in der zweiten Jahreshälfte 2024 eine Erholung einsetzte. Doch die Belastungen durch die US-Zollpolitik haben diesen Aufwärtstrend gebremst. Ohne die Vorzieheffekte im Außenhandel dürfte die Wirtschaftsleistung in der ersten Jahreshälfte wohl nur leicht gestiegen sein. In der zweiten Jahreshälfte sollte die Konjunktur etwas an Fahrt gewinnen. Erste Signale dafür sind sichtbar: Die Auslandsaufträge sind zuletzt gestiegen, und auch der Containerumschlag-Index für Juli weist auf mehr Exporte aus europäischen Häfen hin. Allerdings bleibt die US-Außenpolitik ein Belastungsfaktor. Wir gehen davon aus, dass die Unsicherheit anhält und sie den Welthandel weiter bremst. Positiv ist, dass die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft allmählich ihre Wirkung zeigen und die Binnennachfrage anregen. Neben dem Sondervermögen und der Grundgesetzänderung für höhere Verteidigungsausgaben ist im Juli auch das Investitionssofortprogramm in Kraft getreten. In unserer Prognose gehen wir davon aus, dass ab dem kommenden Jahr zunehmend Mittel aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und die Mehrausgaben für Verteidigung abfließen. Das dürfte für stimulierende Impulse sorgen. Da jedoch die Kapazitäten in diesen Bereichen bereits stark ausgelastet sind, rechnen wir zugleich mit steigenden Preisen. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion in der zweiten Jahreshälfte nur verhalten ausgeweitet wird. Erst ab dem kommenden Jahr dürften die wirtschaftspolitischen Maßnahmen die Binnenwirtschaft stärker antreiben. Für dieses Jahr rechnen wir mit einem BIP-Wachstum von 0,2%. Im Jahr 2026 dürfte sich die Wirtschaftsleistung mit 1,1% deutlich kräftiger ausweiten, für das Jahr 2027 ist dann von 1,4% Wachstum auszugehen. Damit liegt das Wachstum im kommenden Jahr klar über dem Produktionspotenzial, das bei etwa 0,3% veranschlagt wird. Entsprechend dürfte sich die Produktionslücke spürbar verringern. Auf dem Arbeitsmarkt gab es im zweiten Quartal 2025 kaum Veränderungen. Rückgänge im Produzierenden Gewerbe und im Bau wurden durch Zuwächse im Dienstleistungssektor ausgeglichen. Für die nächsten Monate erwarten wir eine moderate Verbesserung: Die Beschäftigung dürfte leicht steigen, die Arbeitslosigkeit sich stabilisieren. Im Jahresdurchschnitt 2025 rechnen wir mit 46 Millionen Beschäftigten. Danach geht die Zahl leicht zurück – um rund 12 000 im Jahr 2026 und um weitere 22 000 im Jahr 2027. Die Arbeitslosenquote dürfte 2025 bei durchschnittlich 6,3% liegen, 2026 auf 6,2% und im Jahr 2027 auf 6,1% sinken. Die Inflationsrate lag im August bei 2,2%. Niedrige Energiepreise und der stärkere Euro haben dämpfend gewirkt. Ohne Lebensmittel und Energie betrug die Teuerung jedoch 2,7% und lag folglich über der Gesamtrate. Während die Dienstleistungspreise im Vorjahr mit 3,8% stiegen, zeigen sie in den vergangenen Monaten einen klaren Abwärtstrend. Für das Gesamtjahr 2025 erwarten wir eine Preissteigerung von 2,0%. Im kommenden Jahr dürfte sich die Teuerung bei den Dienstleistungen weiter normalisieren, während die Energiepreise dämpfend wirken. Insgesamt erwarten wir für 2026 einen weiteren Rückgang der Inflation auf 1,8 %. Für 2027 rechnen wir dann wieder mit einem leichten Anstieg auf 2,0%. In diesem Jahr ist die Finanzpolitik leicht restriktiv ausgerichtet. Hauptgründe sind der deutliche Anstieg des Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung und das Auslaufen der Inflationsausgleichsprämie. Dem gegenüber stehen entlastende Maßnahmen wie das Steuerfortentwicklungsgesetz sowie höhere Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur. Im laufenden Jahr machen diese Mehrausgaben noch vergleichsweise wenig aus, steigen aber in den Jahren 2026 und 2027 deutlich. Wir rechnen in den nächsten beiden Jahren mit einem starken Impuls von jeweils 0,9%. Das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit dürfte in diesem Jahr leicht auf 116 Mrd. Euro sinken. Im Jahr 2026 machen sich die höheren Ausgaben jedoch spürbar bemerkbar, sodass das Defizit auf 158 Mrd. Euro steigt. Im Jahr 2027 dürfte es mit 170 Mrd. Euro weiter anwachsen.

Schmidt, T., N. Benner, B. Blagov, E. Coschignano, M. Dirks, D. Grozea-Helmenstein, N. Isaak, F. Kirsch, S. Kotz, C. Krause, P. Schacht-Picozzi und K. Weyerstraß (2025), Sommer 2025: Öffentliche Ausgaben treiben die Konjunktur, private Impulse bleiben schwach. RWI Konjunkturberichte, 76, A05

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