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RWI Projektberichte

2008

Manuel Frondel, Torsten Schmidt, Colin Vance Ph.D., Tobias Zimmermann, Ansgar Belke

Einfluss von Preisschocks auf die Preisentwicklung in Deutschland

Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft undTechnologie
Projekt-Nr. I D 4-020815-16/07
Endbericht - Oktober 2008

Die Verbraucherpreise sind im Jahr 2007 mit 2,2% gestiegen und damit so stark wie zuletzt 1994. Insbesondere die Preise für Energie und für einige Nahrungsmittel haben zu diesem deutlichen Anstieg geführt. Da viele dieser Preissteigerungen eine beachtliche Größenordnung hatten und zudem überraschend auftraten, wird in diesem Zusammenhang oft von Preisschocks gesprochen. Die damit verbundene steigende Belastung der privaten Haushalte hat dabei zu einer intensiven Debatte über wirtschaftspolitische Handlungsmöglichkeiten geführt. Auch als sich im Zusammenhang mit dem Ölpreisanstieg Benzin und Heizöl deutlich verteuerten, wurde nach Reaktionen der Wirtschaftspolitik gerufen, wie z.B. eine zeitweise Reduzierung der Mineralölsteuer. Gleichzeitig hat die politische Entscheidung, den Regelsatz der Mehrwertsteuer zu Beginn dieses Jahres anzuheben, selbst eine deutliche Erhöhung vieler Preise verursacht. Wie diese Beispiele zeigen, wird das Preisniveau von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst. Allerdings ist bei der Untersuchung zu berücksichtigen, dass sich die Bedeutung der einzelnen Faktoren im Zeitablauf durchaus verändern kann. Beispielsweise haben die deutschen Unternehmen ihre Kostensituation deutlich verbessert. Bezüglich der Ölpreissteigerungen wird darauf verwiesen, dass wegen der Häufigkeit und Stärke der Schocks in der Vergangenheit in den Unternehmen durch Investitionen für einen niedrigeren Energieverbrauch gesorgt wurde. Zu der verbesserten preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hat auch beigetragen, dass die Lohnsteigerungen in Deutschland verglichen mit anderen europäischen Ländern ausgesprochen gering waren. All dies hat dazu geführt, dass Kostensteigerungen, die durch einige Preisschocks entstanden, von den Unternehmen besser verkraftet werden konnten als in der Vergangenheit. Zwei weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, die längerfristig dämpfend auf die Preisentwicklung gewirkt haben könnten, werden mit den Schlagwörtern Globalisierung und europäische Integration angesprochen. Im Zuge der zunehmenden internationalen Verflechtung der Gütermärkte ist der Konkurrenzdruck durch internationale Anbieter größer geworden, so dass höhere Energie- oder Importpreise von den Unternehmen nicht mehr ohne weiteres an die Verbraucher weitergegeben werden können. Andererseits ist es durchaus möglich, durch Outsourcing für geringere Preise bei den Vorleistungen zu sorgen. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die stärkere internationale Integration der Finanzmärkte zu einer größeren Disziplinierung der Zentralbanken geführt haben könnte, so dass auch von der monetären Seite stabilisierende Wirkungen ausgegangen sein dürften. Neben diesen Veränderungen des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes haben sich auch die Bedingungen auf einzelnen Märkten oder in einzelnen Wirtschaftssektoren gewandelt. So hat die Liberalisierung im Telekommunikationssektor in den Neunzigerjahren zu einer Erhöhung des Wettbewerbs in diesem Bereich und zu deutlich niedrigeren Preisen geführt. Es ist also naheliegend, dass auch branchenspezifische Veränderungen dazu geführt haben, dass sich Preisschocks nicht mehr in gleichem Maße wie noch vor einigen Jahren auf das Preisniveau insgesamt ausgewirkt haben. Für die Prognose der gesamtwirtschaftlichen Preisentwicklung aber auch für die Frage der wirtschaftspolitischen Handlungsmöglichkeiten sind die Ursachen der Preisschocks von großer Bedeutung. Als eine erste Klassifizierung bietet sich an, angebots- oder nachfrageseitige Preisschocks zu unterscheiden. Darüber hinaus ist eine Einschätzung wichtig, ob von einem Preisschock permanente oder nur vorübergehende (transitorische) Effekte ausgehen. Diese Unterscheidung ist insbesondere für die Geldpolitik von Bedeutung. So ist die Zeitverzögerung der Wirkung von geldpolitischen Maßnahmen zu groß, um mit diesem Instrument auf transitorische Schocks, wie z.B. Ölpreisschocks, reagieren zu können. Dagegen bieten permanente Effekte auf das Preisniveau oder die Inflationsrate durchaus die Möglichkeit, wirtschaftspolitisch zu reagieren. Beispielsweise könnte eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu einer anhaltend gedämpften Preisentwicklung führen.