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Grundlagen für die Wirtschaftspolitik

2021

Reto Föllmi, Torsten Schmidt, Niklas Isaak, Philipp Jäger, Pascal Seiler

Ursachen und Wirkungen der Tiefzinsphase - Eine empirische Analyse mit Mikro- und Makrodaten

Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO

Seit Ende der 1980er Jahre sind die Zinsen sowohl nominal als auch real weltweit gesunken. Auch in der Schweiz ist diese Entwicklung zu beobachten. Diese Studie beleuchtet sowohl die Ursachen als auch die Wirkungen der aktuellen Niedrigzinsphase. Die empirischen makroökonomischen Ergebnisse zeigen im Einklang mit der empirischen Literatur, dass ein bedeutender Teil des Rückgangs der Realzinsen durch demografische Faktoren erklärt werden kann. Insbesondere weist die Altersstruktur einen Zusammenhang mit der Zinsentwicklung auf. So ist in der Nachkriegsperiode der Anteil der 40-64-Jährigen signifikant negativ und der Anteil der 15-39-Jährigen signifikant positiv mit dem Realzins verbunden. Die Modellergebnisse deuten zudem darauf hin, dass in den kommenden Jahren von der Entwicklung der Altersstruktur in der Schweiz kein zusätzlicher Abwärtsdruck auf den Realzins ausgeht. Allerdings wurden in der Studie nicht alle möglichen Zinseinflüsse berücksichtigt, so dass aus den Ergebnissen keine Prognose der tatsächlichen Zinsentwicklung abgeleitet werden kann. Die Auswirkungen niedriger Zinsen stehen im zweiten Teil des Gutachtens im Zentrum. Im Rahmen eines makroökonometrischen Modells werden die makroökonomischen Effekte von Zinsänderungen auf Konsum, Ersparnis und Investitionen in der kurzen bis mittleren Frist analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sich eine exogene Zinserhöhung um einen Prozentpunkt negativ auf das reale BIP, den Konsum, die Ersparnis und die Investitionen auswirkt. Um unmittelbare Ergebnisse für die Schweiz zu erhalten, wurden die Effekte des Realzinses auf die Konsum- und Sparentscheidung von privaten Haushalten bzw. auf die Investitionsentscheidung von Unternehmen in der Schweiz geschätzt. Der Zusammenhang zwischen den Realzinsen und den privaten Investitionen wird dabei mit Hilfe von Daten aus der KOF Investitionsumfrage analysiert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Unternehmen mit sinkender Realzinserwartung ihre Investitionsausgaben erhöhen. Ein um einen Prozentpunkt niedrigerer Realzins erhöht die Investitionspläne der Unternehmen im Durchschnitt um mehr als zehn Prozent. Bei Ausrüstungs- und Bauinvestitionen bewirkt eine Reduktion des Realzinses um einen Prozentpunkt eine Erhöhung dieser Investitionskategorien um 11.5% beziehungsweise 13.3%. Bei Investitionen in Forschung und Entwicklung ist der Zusammenhang mit den Realzinsen in den Daten nicht sichtbar. Diese Ausgabenkategorien, die insbesondere für die langfristige Wirtschaftsentwicklung wichtig ist, weisen einen stärkeren Zusammenhang mit den Zukunftsaussichten der Unternehmen auf. Die Auswirkungen der Realzinsen auf das individuelle Konsum- und Sparverhalten der Schweizer Haushalte wird mit Hilfe der Umfrage zur Konsumentenstimmung des SECO betrachtet. Die Ergebnisse deutet darauf hin, dass die privaten Haushalte bei höheren Inflationserwartungen und damit niedrigeren Realzinsen grössere Anschaffungen zurückstellen. Gleichzeitig erwarten sie, dass sie weniger sparen können. Dies spricht dafür, dass die Haushalte gemeinsam mit einer steigenden Inflation auch Einkommensrückgänge erwarten. Die Ergebnisse zeigen darum keine eindimensionale Wirkung des Realzinses auf Konsum- und Sparquote. Zwar deuten die Makrodaten darauf hin, dass sinkende Zinsen den Konsum erhöhen, sind diese aber mit schlechteren Zukunftsaussichten verbunden, geht der Effekt gemäss Konsumentenbefragung in die Gegenrichtung.

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

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