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RWI Projektberichte

2006

Manuel Frondel, Peter Grösche, Dirk Huchtemann, Andreas Oberheitmann, Jörg Peters, Gerhard Angerer, Christian Sartorius, Peter Buchholz, Simone Röhling, Markus Wagner

Trends der Angebots- und Nachfragesituation bei mineralischen Rohstoffen

Endbericht
Forschungsprojekt Nr. 09/05 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi)

Rohstoffe bilden eine unverzichtbare Grundlage des Lebens in modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften. Mit dem sich immer weiter vollziehenden Wandel von prosperierenden Entwicklungs- und Schwellenländern hin zu modernen Industrienationen wird die weltweite Bedeutung von Rohstoffen auch zukünftig weiter zunehmen, was jedoch nicht zwingend impliziert, dass dadurch die realen Rohstoffpreise immer weiter steigen werden. Der eminenten Bedeutung von Rohstoffen wird man sich indessen in Zeiten hoher Preise immer besonders gewahr: Nicht zuletzt sind es die Medien, die in den immer wiederkehrenden Hochpreisphasen gerne an die unumstößliche Tatsache erinnern, dass die Rohstoffausstattung der Erdkruste endlich ist, und daraus schlussfolgern, dass unverzichtbare Rohstoffe bald zur Neige gehen könnten. Darüber hinaus wird oftmals der Eindruck erweckt, dass Rohstoffe zwangsläufig immer knapper und teurer werden. Diese Studie möchte durch eine auf empirischen Fakten beruhende, statistisch-deskriptive Analyse dazu beitragen, derartige Befürchtungen zu zerstreuen. So besagen zwei der wesentlichen Ergebnisse, dass erstens die realen Preise der meisten Rohstoffe über den Zeitraum von bis zu 100 Jahren und mehr betrachtet gesunken anstatt gestiegen sind und zweitens für die große Mehrheit an Rohstoffen ausreichende geologische Vorkommen vorhanden sind. Darüber hinaus wird deutlich gemacht, dass die Endlichkeit der Rohstoffe eine für die weltwirtschaftliche Entwicklung vollkommen irrelevante Beschränkung darstellt, so dass daraus keinerlei Befürchtungen erwachsen dürften. Die gesamte Ausstattung der Erdkruste mit einem bestimmten Rohstoff ist zumeist millionenfach umfangreicher als dessen Reserven, welche die bei derzeitigen Preisen wirtschaftlich gewinnbaren Rohstoffvorkommen darstellen. Es wird zudem weithin angenommen, dass die Reserven eines Rohstoffs mit dessen zunehmendem Verbrauch immer weiter abnehmen. Diese Vorstellung wird in dieser Studie falsifiziert, indem dargestellt wird, dass die Reserven vieler Rohstoffe im Laufe der Zeit vielmehr zu- anstatt abgenommen haben − vor allem bedingt durch den technologischen Fortschritt. Kernziel der vorliegenden Studie ist die Einschätzung der langfristigen Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen. Mit einem Zeithorizont der auftragsgemäß bis ins Jahr 2025 reicht, blickt die Studie weit über die gegenwärtige Hochphase der typischerweise zyklisch verlaufenden Rohstoffpreise hinaus. Es ist somit weder Ziel der Studie, kurzfristige Knappheiten und spezifische Probleme bei der Versorgung mit einzelnen Rohstoffen zu bewerten, noch spezielle schnell wirksame Lösungsvorschläge für individuelle Rohstoffe anzubieten. Vielmehr sollen letztlich Vorschläge für langfristig effektive Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Rohstoffen gemacht werden. Diese beinhalten insbesondere eine Verknüpfung der Rohstoff- mit der Außen- bzw. Entwicklungspolitik Deutschlands und eine Verbesserung der Markttransparenz. Diese Maßnahmen zielen auf eine aktive Rolle des Staates ab, ohne dass dieser allerdings selbst als Rohstoffbeschaffer in Erscheinung treten oder mittels einer strategischen nationalen Mindestbestandshaltung für die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen sorgen sollte. Dies ist bestenfalls in planwirtschaftlichen Systemen Aufgabe des Staates, während dieser in einer Marktwirtschaft lediglich die Rahmenbedingungen für funktionierende Rohstoffmärkte zu setzen hat. Die Studie befasst sich darüber hinaus mit mehreren grundsätzlichen methodischen Fragestellungen: Erstens wird eine Methode entwickelt, mit deren Hilfe diejenigen Rohstoffe identifiziert werden können, die sich langfristig als für Deutschland potentiell kritisch erweisen könnten − diese Aufgabe erfordert zuallererst eine Konkretisierung dessen, was unter potentiell kritischen Rohstoffen zu verstehen ist. Zweitens wird die Frage untersucht, ob Rohstoffpreise überhaupt sinnvoll prognostizierbar sind. Als Ergebnis entsprechender statistischer Tests ergibt sich, dass die Preise der meisten Rohstoffe so genannte Random Walks darstellen, das heißt Außenstehenden wie zufällig erscheinen, obwohl diese sich tatsächlich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergeben. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass ähnlich wie bei Aktienmärkten jegliche verfügbare Information unmittelbar preisrelevant wird. Drittens werden langfristige Angebots- und Nachfragetrends auf Basis der historischen Zeitreihen extrapoliert, um einen Vergleichsmaßstab für eine detaillierte Abschätzung des Einflusses technologischer Entwicklungen auf die Nachfrage nach Rohstoffen zu gewinnen. Dazu wird die Methode der Technologievorausschau in innovativer Weise auf nichtenergetische Rohstoffe angewandt. Die Methodik orientiert sich an den mitunter für Energieprognosen verwendeten Techniken. Weitere wesentliche Ergebnisse der Studie lauten erstens: China ist der Hauptauslöser der jüngsten, seit etwa 2003 herrschenden Rohstoffhausse, nicht aber die alleinige Ursache dafür. Diese ist auch auf zyklisches Investitionsverhalten zurückzuführen, das zu den für Rohstoffe charakteristischen zyklischen Preisbewegungen führt. Zweitens: Verglichen mit China oder den USA ist die Rohstoffnachfrage Indiens noch immer weit weniger bedeutsam. Dennoch ist es nur eine Frage der Zeit, wann ein ähnlicher Nachfrageschub, wie er derzeit von China ausgelöst wird, von einem anderen, sich vehement entwickelnden Land ausgehen wird. Drittens: Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird daher die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen wie Eisen und Kupfer immer weiter anwachsen. Viertens: Die gegenwärtig hohen Rohstoffpreise sind nicht das Resultat von Angebotsschocks, sondern Ergebnis einer großen Nachfrage infolge eines starken weltwirtschaftlichen Wachstums, das 2004 mit 5,3 % so hoch war wie seit 30 Jahren nicht mehr. Fünftens: Die gegenwärtige Situation eines starken Wachstums der Nachfrage nach Rohstoffen ist nicht neu und dürfte sich auch in Zukunft wiederholen. Fazit: Die vorliegende Studie „Trends der Angebots- und Nachfragesituation bei mineralischen Rohstoffen“ schließt die herrschende Informationslücke hinsichtlich der langfristigen Entwicklung von für Deutschland bedeutsamen nicht-energetischen Rohstoffen, welchen im Allgemeinen sehr viel weniger Aufmerksamkeit zukommt als den Energierohstoffen. So werden regelmäßig Studien und Prognosen zum zukünftigen Verbrauch an Energie wie auch an einzelnen Energierohstoffen von vielen internationalen Institutionen veröffentlicht. Die jährlich erscheinenden Energieausblicke der Internationalen Energieagentur (IEA) der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) und der US-amerikanischen Energieinformationsadministration (EIA) sind lediglich zwei prominente Beispiele. Zur Verbesserung der Markttransparenz bei nicht-energetischen Rohstoffen wäre es wünschenswert, wenn zumindest in mehrjährigen Abständen entsprechende Studien veröffentlicht würden.