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RWI Konjunkturberichte

2009

Roland Döhrn, György Barabas, Heinz Gebhardt, Tobias Kitlinski, Martin Micheli, Torsten Schmidt, Simeon Vosen

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Mühsamer Aufstieg aus dem Rezessionstal

Die gesamtwirtschaftliche Produktion hat im zweiten Vierteljahr 2009 um 0,3% zugenommen, nachdem sie zuvor vier Quartale infolge gesunken war. Gleichwohl ist die Wirtschaftsleistung 7,1% niedriger als vor einem Jahr, so dass man lediglich von einer Stabilisierung auf niedrigem Niveau sprechen muss. Auch lässt die Zusammensetzung der Expansion Zweifel aufkommen, ob der leichte Zuwachs bereits eine konjunkturelle Wende darstellt. Er resultiert vor allem daraus, dass die Ausfuhren weniger sanken als die Einfuhren, was auf eine immer noch schwache Inlandsnachfrage hindeutet. Zugenommen haben insbesondere die privaten und die staatlichen Konsumausgaben sowie die Bauinvestitionen. Die privaten Haushalte wurden durch die Senkung der Einkommensteuer und der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, die Erhöhung zahlreicher Transfers und die Abwrackprämie begünstigt. Entlastend wirkte auch der Rückgang der Energiepreise. Zudem hat die Rezession bisher wenig auf die verfügbaren Einkommen durchgeschlagen. Die Zahl der Arbeitslosen hat seit Oktober 2008, als die Beschäftigung ihren höchsten Stand erreicht hatte, lediglich (saisonbereinigt) um 300 000 zugenommen. Die vorlaufenden Indikatoren deuten zwar auf eine Belebung der Konjunktur im zweiten Halbjahr 2009 hin, die allerdings moderat bleiben dürfte. Impulse kommen von der Belebung der Weltwirtschaft. Auch scheint das kommunale Investitionsprogramm ins Laufen zu kommen. Rückläufig sein dürften im Prognosezeitraum jedoch die privaten Konsumausgaben, vor allem weil sich die derzeitige Unterbeschäftigung voraussichtlich mehr und mehr in einer höheren Arbeitslosigkeit manifestieren wird. Zudem werden die Renten wohl nicht steigen und die Teuerung anziehen. Wir erwarten einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,3% im kommenden Jahr nach nur 0,4% in diesem. Der erwartete Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion um 5,0% in diesem Jahr resultiert ausschließlich aus dem statistischen Unterhang und dem kräftigen Rückgang im ersten Quartal. Für den Prognosezeitraum erwarten wir eine Erholung. Allerdings dürfte die Expansion nur zögerlich an Fahrt gewinnen, weil den aufwärts gerichteten Kräften weiterhin nennenswerte dämpfende Faktoren gegenüberstehen. Wir halten für den Jahresdurchschnitt 2010 ein Wirtschaftswachstum von 1,2% für wahrscheinlich. Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich dabei noch für einige Zeit verschlechtern. Die Anpassung der Beschäftigung an die niedrigere Produktion wurde bisher durch Kurzarbeit und andere Anpassungen auf betrieblicher Ebene vermieden, mit der Folge, dass die Produktivität und die Arbeitszeit der Arbeitnehmer kräftig sanken, aber auch die Lohnstückkosten stiegen. Die Unternehmen werden allerdings bestrebt sein, die Kosten zu senken, so dass wir einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 3,7 Mill. am Ende dieses und auf knapp 4,4 Mill. am Ende kommenden Jahres erwarten. Die Arbeitslosenquote dürfte im Jahresdurchschnitt von 8,3% auf 9,8% steigen. Die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich aufgrund konjunkturbedingter Mindereinnahmen und Mehrausgaben sowie durch die ergriffenen Maßnahmen bereits deutlich verschlechtert. Wir erwarten, dass das gesamtstaatliche Budgetdefizit in diesem Jahr auf 3,0% in Relation zum BIP steigen wird, 2010 auf 5%. Die Schuldenstandsquote dürfte damit Ende kommenden Jahres gut 75% betragen. Die Wirtschaftspolitik steht vor großen Aufgaben. Die EZB hat, um die Funktionsfähigkeit des Geldmarkts zu gewährleisten, die Liquiditätsversorgung drastisch ausgeweitet. Allerdings sind die Inflationserwartungen noch am Stabilitätsziel der EZB verankert, so dass sie die geldpolitischen Zügel behutsam straffen kann, um den beginnenden Aufschwung nicht zu gefährden. Die Finanzpolitik muss Wege aufzeigen, wie sie die gestiegene Verschuldung reduzieren will. Zwar wird mit der neuen Schuldenregel ein Weg zur Konsolidierung vorgezeichnet, noch ist aber unklar, wie man dahin kommen will. Eine glaubwürdige Strategie sollte nach unserer Einschätzung auf eine Begrenzung des Ausgabenwachstums und auf eine Umschichtung des Budgets zu Gunsten von Ausgaben setzen, die das Wachstum fördern.

Döhrn, R., G. Barabas, H. Gebhardt, T. Kitlinski, M. Micheli, T. Schmidt und S. Vosen (2009), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Mühsamer Aufstieg aus dem Rezessionstal. RWI Konjunkturberichte, 60, 2, 33-88

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