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RWI Konjunkturberichte

2012

Roland Döhrn, György Barabas, Heinz Gebhardt, Tobias Kitlinski, Martin Micheli, Torsten Schmidt, Simeon Vosen, Lina Zwick

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Gedämpfte Expansion bei hohen Risiken

Die deutsche Konjunktur war in der ersten Hälfte des Jahres 2012 aufwärtsgerichtet, nach einem leichten Rückgang im vierten Quartal 2011. Die Impulse gingen dabei ungeachtet der nachlassenden Expansion der Weltwirtschaft vom Außenhandel aus. Die verbesserte preisliche Wettbewerbsfähigkeit stimulierte die Exporte. Die Importe nahmen hingegen nur verhalten zu, auch weil die inländische Verwendung leicht rückläufig war. Zwar wurden die privaten wie auch die staatlichen Konsumausgaben ausgeweitet. Jedoch verstärkte sich der Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen. Auch die Bauinvestitionen waren rückläufig. In den Sommermonaten hat sich die Konjunktur eingetrübt. Auftragseingänge und Produktion in der Industrie blieben in der Tendenz leicht rückläufig, der Beschäftigungsanstieg hat sich mittlerweile verlangsamt, und die Arbeitslosigkeit nimmt wieder zu, wenn auch nur leicht. Insbesondere aber haben sich die Erwartungen der Unternehmen spürbar verschlechtert. Im Prognosezeitraum dürfte die Wirtschaft nur verhalten expandieren. Dämpfend wirkt insbesondere das ungünstige außenwirtschaftliche Umfeld. Es schlägt erfahrungsgemäß auf die Investitionen der Unternehmen durch, die zunächst voraussichtlich weiter sinken werden. Deutlich robuster dürften die privaten Konsumausgaben sein, die von der nach wie vor günstigen Beschäftigung und den voraussichtlich weiterhin steigenden Löhnen profitieren. Beides begünstigt die Wohnungsbauinvestitionen, die zudem von historisch niedrigen Hypothekenzinsen stimuliert werden. Alles in allem dürfte das BIP im Durchschnitt dieses Jahres um 0,8% expandieren. Im kommenden Jahr werden die privaten Konsumausgaben bei nur noch wenig steigender Beschäftigung wohl an Tempo verlieren. Die Unternehmensinvestitionen hingegen werden sich voraussichtlich etwas beleben, da sich die Absatzerwartungen aufhellen und die Modernisierung des Maschinenparks dringlicher werden dürfte. Recht kräftig zunehmen werden wohl weiterhin die Wohnungsbauinvestitionen. Die Exporte dürften zwar aufgrund der wieder kräftigeren Nachfrage aus dem Ausland stärker, im längerfristigen Vergleich allerdings nur verhalten zunehmen. Vom Außenhandel geht dann wohl kein Beitrag zur Zunahme des BIP aus; es dürfte um 1,0% zunehmen. Trotz der schwächeren Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktion dürfte sich der Preisanstieg nicht nennenswert verlangsamen. Zum einen erhöhen sich die Lohnkosten weiterhin. Zum anderen verteuert sich aufgrund der Vorgaben durch die Wirtschaftspolitik Energie. Dämpfend auf die Überwälzungsmöglichkeiten der Unternehmen wirkt die voraussichtlich sinkende Kapazitätsauslastung. Wir erwarten einen Anstieg der Verbraucherpreise um jeweils 2% in diesem und im kommenden Jahr. Der Beschäftigungsaufbau wird sich aufgrund der nur schwachen Ausweitung der Produktion voraussichtlich verlangsamen, im Verlauf des kommenden Jahres dürfte die Zahl der Erwerbstätigen nur noch um 90 000 zunehmen nach 275 000 in diesem Jahr. Für beide Jahre erwarten wir eine Arbeitslosenquote von 6,8%. Die Finanzlage des Staates wird sich in diesem Jahr bessern, da die Finanzpolitik auf Konsolidierung ausgerichtet ist und die Struktur der wirtschaftlichen Expansion steuer- und abgabenergiebig ist. Voraussichtlich wird nach einem Budgetdefizit von 20 Mrd. € ein annähernd ausgeglichener Haushalt erzielt werden. Im nächsten Jahr ist keine weitere Besserung zu erwarten. Die Risiken für die Konjunktur sind allerdings beträchtlich, insbesondere weil die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum nach wie vor ungelöst ist. Vordringliches Ziel ist es derzeit, die Abwärtsspirale aus sich verschlechternden Staatsfinanzen, wachsenden Solvenzproblemen im Bankensektor und sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen für Unternehmen zu durchbrechen. Dass Mittel der EFSF nun vermehrt für die Bankenrestrukturierung eingesetzt werden sollen, könnte ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein. Zugleich muss Zeit gewonnen werden, damit sich die positiven Wirkungen der Konsolidierung der Staatshaushalte und der Strukturreformen entfalten können. Dieses soll wohl das Outright Monetary Transaction-Programm der EZB bewirken, mit dem diese in unbegrenztem Umfang Staatsanleihen von Ländern aufkauft, die sich in einem EFSF- oder ESM-Programm befinden. Dieses Programm ist ordnungspolitisch bedenklich und mit erheblichen Risiken verbunden, insbesondere für die Preisstabilität auf mittlere Sicht. Allerdings bieten sich angesichts der Schwerfälligkeit, mit der die europäische und nationale Wirtschaftspolitik auf die sich rasch wandelnden Probleme anscheinend nur reagieren kann, derzeit keine Alternativen an. Die Kosten eines Auseinanderfallens des Euro-Raums, das bei einer Untätigkeit der Politik droht, wären unabsehbar hoch.

Döhrn, R., G. Barabas, H. Gebhardt, T. Kitlinski, M. Micheli, T. Schmidt, S. Vosen und L. Zwick (2012), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Gedämpfte Expansion bei hohen Risiken. RWI Konjunkturberichte, 63, 2, 41-97

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