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RWI Materialien #26

2006

Boris Augurzky, Sebastian Krolop, Hartmut Schmidt, Stefan Terkatz

Pflegeversicherung, Ratings und Demographie - Herausforderungen für deutsche Pflegeheime

Die Finanzprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Für 2006 steht eine weitere Reform an, bereits drei Jahre nachdem das GKV-Modernisierungsgesetz beschlossen wurde. Weitgehend unbemerkt hingegen blieb bisher in der Öffentlichkeit der Reformbedarf der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) - wohl auch aufgrund ihres im Vergleich zur GKV geringeren Beitragsvolumens. Hier zeichnen sich aber schon seit 1999 vergleichbare Finanzierungsprobleme wie bei der GKV ab. Seitdem übersteigen die Ausgaben die Einnahmen. Nur die zur Zeit der Einführung der SPV aufgebaute Kapitalreserve vermag diese Lücke derzeit noch zu schließen. Die Reserve wird jedoch in wenigen Jahren aufgebraucht sein. Deshalb wurde 2005 eine erste moderate Reform mit der Einführung eines Beitragszuschlags von 0,25%-Punkten für Kinderlose durchgeführt. Eine grundlegende Lösung steht bislang aber noch aus. Sie ist jedoch dringend notwendig, denn nicht nur die Kapitalreserve der SPV wird geringer, sondern auch die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wird im Zuge der Alterung der Bevölkerung weiter wachsen. Die SPV ist zudem durch die demographische Entwicklung deutlich stärker belastet als die GKV. Häcker/Raffelhüschen (2004) rechnen mit einem Anwachsen des Beitragssatzes von derzeit 1,7% bis 2050 auf über 6,0%. Schon bis 2020 ist mit einem Satz von etwa 2,5% zu rechnen, wenn die bis dahin zu erwartenden zusätzlich über 600 000 ambulanten und stationären Pflegebedürftigen nicht ohne Versorgung bleiben sollen. Vor diesem Hintergrund müssen schon jetzt Maßnahmen eingeleitet werden, um eine grobe Schieflage rechtzeitig zu vermeiden. Die vorliegende Studie untersucht verschiedene Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzlage der SPV. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem stationären Pflegemarkt, der 2003 ein Volumen von 17,2 Mrd. Euro bzw. 72% des professionellen Pflegemarkts umfasste (Statistisches Bundesamt 2005a). Der Pflegemarkt im weiten Sinne setzt sich aus der stationären Pflege in Pflegeheimen, den ambulanten Pflegediensten und der Pflege durch Angehörige zusammen. Sein Volumen erreichte 2003 28 Mrd. Euro; davon trägt die SPV etwa 17 Mrd. Euro (inklusive Verwaltungskosten und sonstiger kleinerer Ausgaben). Der Begriff "Pflegemarkt" bezieht sich im Folgenden allerdings nur auf den Bereich, der durch professionelle Anbieter, d.h. durch Pflegeheime und ambulante Dienste, abgedeckt wird. Er umfasste 2003 etwa 24 Mrd. Euro (Schaubild 1). Der tatsächliche Pflegemarkt dürfte sogar noch größer sein, da in den amtlichen Statistiken Selbstzahler ("Pflegestufe 0"), die keine Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, nicht erfasst sind.

ISBN: 978-3-936454-68-0

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