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RWI Projektberichte

2015

Boris Augurzky, Ingo Kolodziej, Magdalena Stroka

Evaluation medizinischer Rehabilitationsleistungen der DRV – Abschlussbericht

Forschungsbericht im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland und DRV Westfalen

Unter Rückgriff auf administrative Daten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen und der DRV Rheinland hat das vorliegende Gutachten zum Ziel, die im Jahr 2009 erfolgten Rehabilitationsmaßnahmen hinsichtlich ihres medizinischen Erfolges und der Erwerbsbiografie der Rehabilitanden zu evaluieren. Als Zielgrößen werden die medizinische Besserung der Funktionsstörung nach Beendigung der Rehabilitation sowie die Erwerbstätigkeit und der Bezug der Erwerbsminderungsrente sechs und zwölf Monate nach der Rehabilitation ausgewertet. Es wird zunächst der Vorher-Nachher-Vergleich als Evaluationsmethode herangezogen. Dabei werden die Zielgrößen nach der Reha mit ihren Werten davor vergleichen. Die durchschnittliche Veränderung kann allerdings nur dann als Maßnahmeneffekt interpretiert werden, wenn sich die Zielgrößen ohne Reha nicht verändern würden. Diese Annahme ist jedoch nicht in jedem Fall plausibel. Aus diesem Grund ist die statistische Validität dieser Methode als eher gering einzustufen. Zur Erhöhung der statistischen Validität werden daher auch Vergleichsgruppenanalysen durchgeführt. Unter Rückgriff auf den Differenzen-von-Differenzen-Ansatz wird die Veränderung der Zielgrößen von Rehabilitanden und Nicht-Rehabilitanden verglichen. Die Gruppe der Nicht-Rehabilitanden rekrutiert sich dabei aus den Versicherten, deren Rehabilitationsantrag abgelehnt wurde. Sie bildet zur Gruppe der Rehabilitanden eine Vergleichsgruppe. Da jedoch konkrete Gründe für die Ablehnung der Rehabilitation ausschlaggebend sein dürften, ist die Vergleichbarkeit beider Gruppen möglicherweise eingeschränkt. Dies muss bei der späteren Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Der Differenzen-von-Differenzen-Ansatz wird zusätzlich für den Vergleich stationärer mit ambulanter Rehabilitation herangezogen. Um die Vergleichbarkeit der Versicherten mit und ohne Rehabilitation beziehungsweise in stationärer und in ambulanter Rehabilitation weiter zu erhöhen, wird das Propensity Score Matching herangezogen. Mittels dieser Methode ist es möglich, "Grenzfälle" miteinander zu vergleichen, die eine sehr ähnliche Wahrscheinlichkeit haben, an der jeweils betrachteten Reha-Maßnahme teilgenommen zu haben. Die jeweiligen Analysen erfolgen sowohl unabhängig von den Bewilligungsdiagnosen für alle durchgeführten Rehabilitationen sowie für einzelne ausgewählte Bewilligungsdiagnosegruppen. Die Ergebnisse zeigen durchgehend, dass die Rehabilitation zu einer deutlichen Verbesserung der gemeldeten Funktionsstörung führt. Hierbei sind lediglich geringe Unterschiede zwischen ambulanter und stationärer Rehabilitation feststellbar. Allerdings ist dieses Ergebnis nicht überraschend, weil erstens vor jeder Reha-Maßnahme eine 100%ige Funktionsstörung vorliegt, sodass eine weitere Verschlechterung grundsätzlich nicht möglich ist. Zweitens wird die Angabe zur Funktionsstörung nach der Reha vom behandelnden Arzt ausgefüllt, der naturgemäß von einem Erfolg ausgeht. Der Vorher-Nachher-Vergleich in Bezug auf die Erwerbstätigkeit zeigt für alle Diagnosegruppen, dass Reha mit einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung um etwa 5 bis 6%-Punkte einhergeht. Bei der Betrachtung einzelner Diagnosegruppen zeigt der Vorher-Nachher-Vergleich dagegen gemischte Ergebnisse hinsichtlich der Erwerbstätigkeit. Der statistisch validere Vergleich von Reha zu keiner Reha in Form des Differenzen-von-Differenzen-Ansatzes und des Propensity Score Matchings weist auf eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung um 3 bis 8%-Punkte hin. Lag dabei keine Erwerbstätigkeit einen Monat vor der Rehabilitationsmaßnahme vor, so liegt die Wahrscheinlichkeit der Erwerbstätigkeit nach der Reha dem Differenzen-von-Differenzen-Ansatz zufolge um etwa 10 bis 11%-Punkte höher. Lag hingegen einen Monat vor der Rehabilitationsmaßnahme Erwerbstätigkeit vor, so liegt sie nach der Rehabilitation um etwa 2 bis 3%-Punkte niedriger. Der Vergleich zwischen ambulanter und stationärer Rehabilitation deutet darauf hin, dass ambulante Rehabilitation nicht mit schlechteren Ergebnissen einhergeht als stationäre Rehabilitation. Der Weiterbezug der Erwerbsminderungsrente kann den Ergebnissen des Vorher-Nachher-Vergleiches zufolge bei Betrachtung aller Diagnosegruppen, der somatischen Funktionsstörungen sowie Muskel-,Skelett- und Bindegewebserkrankungen durch Rehabilitation leicht reduziert werden - bei den anderen Diagnosegruppen und bei Betrachtung des Differenzen-von-Differenzen-Ansatzes dagegen nicht. Bei Rehabilitanden, die vor ihrer Reha keine Erwerbsminderungsrente bezogen, zeigt sich im Vorher-Nachher-Vergleich nach ihrer Reha eine Zunahme des Anteils derjenigen mit Erwerbsminderungsrente. Dies könnte auf einen generellen Trend zur Verschlechterung hinweisen, dem die Reha entgegenwirken muss. Es zeigen sich überdies keine relevanten Unterschiede nach Trägerschaft (privat, freigemeinnützig und öffentlich). Auch die Größe der Einrichtung oder die Anzahl der Abteilungen scheinen keine besondere Bedeutung für den Effekt der Reha zu haben. Schließlich ist zu beobachten, dass sich mit dem Vorher-Nachher-Vergleich bessere Rehabilitationserfolge hinsichtlich aller Zielgrößen abzeichnen, je kürzer die Dauer der Erwerbslosigkeit vor der Rehabilitation ist. Diese Ergebnisse können allerdings weder mit dem valideren Differenzen-von-Differenzen-Ansatz noch mit dem Propensity Score Matching bestätigt werden. Somit kann diesbezüglich keine klare Schlussfolgerung gezogen werden.