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Faire CO2-Bepreisung: Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Wie ließen sich die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung am besten rückverteilen? Darüber scheiden sich die Geister, wie eine Studie von Michael Pahle, Linus Mattauch und Stephan Sommer zeigt.

Die Anfor­de­run­gen an die Klima­po­li­tik der kommen­den Jahre sind immens. Die Emis­sio­nen in Deutsch­land sollen auf einen Pfad gebracht werden, der mit dem globa­len 1,5-Grad-Ziel des Pari­ser Klima­ab­kom­mens im Einklang steht. Bis zum Jahr 2045 möchte Deutsch­land klima­neu­tral sein. Ambi­tio­nier­te Ziele auszu­ru­fen, bedeu­tet aber keines­wegs, sie auch zu errei­chen.

In vielen Berei­chen müssen Fort­schrit­te hart erar­bei­tet werden: Es braucht eine Verviel­fa­chung des Tempos beim Ausbau der erneu­er­ba­ren Ener­gi­en, die massi­ve Stei­ge­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz, umfang­rei­che Inno­va­tio­nen bei saube­rer Ener­gie, Elek­tri­fi­zie­rung, Wasser­stoff und synthe­ti­schen Kraft­stof­fen sowie der Mobi­li­tät, die Entwick­lung von Nega­ti­v­emis­si­ons­tech­no­lo­gi­en sowie die Sicher­stel­lung des Abtrans­ports von Kohlen­stoff in die Lager­stät­ten unter der Nord­see und nicht zuletzt die heraus­for­dern­de Verwirk­li­chung einer Kreis­lauf­wirt­schaft. Zudem sind massi­ve Infra­struk­tur­in­ves­ti­tio­nen zu stem­men, von Strom- und Wasser­stoff­net­zen über Lade- und Tank­stel­len­in­fra­struk­tu­ren für die klima­freund­li­che Mobi­li­tät bis hin zu drin­gend notwen­di­ger Verkehrs­in­fra­struk­tur. Darüber hinaus bedarf es einer Umstel­lung des globa­len Ener­gie­han­dels auf erneu­er­ba­re Ener­gie­trä­ger. Es wird darum gehen, die Verla­ge­rung von Wert­schöp­fung an Stand­or­te mit guten Bedin­gun­gen für die Erzeu­gung erneu­er­ba­rer Ener­gi­en zu verdau­en und im Gegen­zug neue Wert­schöp­fung nach Deutsch­land und Europa zu ziehen.

Wenn­gleich nicht offen­sicht­lich ist, wie all dies gelin­gen kann – wie es auf keinen Fall geht, lässt sich ziem­lich genau sagen: mit sekto­ral und tech­no­lo­gisch vereng­ten Ansät­zen, mit Rege­lun­gen, die Inno­va­tio­nen verhin­dern, einer halb­her­zi­gen Adres­sie­rung von Vertei­lungs­fra­gen und ausschlie­ß­lich natio­na­ler Fokus­sie­rung. Es gab in der Vergan­gen­heit in Deutsch­land keinen Mangel an klima­po­li­ti­schen Initia­ti­ven, im Gegen­teil. Doch war die große Zahl der komple­xen Förder­me­cha­nis­men und ordnungs­recht­li­chen Eingrif­fe weder syste­ma­tisch am Ziel der Emis­si­ons­min­de­rung noch an einer effek­ti­ven Inno­va­ti­ons­po­li­tik ausge­rich­tet. Sie war oft klein­tei­lig, kurz­fris­tori­en­tiert und nicht ausrei­chend mitein­an­der verzahnt.

Viele Maßnah­men der deut­schen Ener­gie- und Klima­po­li­tik, von der Förde­rung der Foto­vol­ta­ik und ener­ge­ti­schen Gebäu­de­sa­nie­rung bis hin zu Kauf­prä­mi­en für Elek­tro­fahr­zeu­ge, waren zudem sozial unaus­ge­wo­gen. Sie haben eher Einkom­men von unten nach oben umver­teilt. Zudem war der Blick allzu oft natio­nal. Der beschleu­nig­te Ausbau erneu­er­ba­rer Ener­gi­en benö­tigt aber euro­päi­sche Lösun­gen. Bei Wasser­stoff­tech­no­lo­gi­en gibt es sogar schon einen globa­len Inno­va­ti­ons­wett­lauf, dem sich Deutsch­land stel­len muss.

Eine sozial-ökolo­gi­sche Markt­wirt­schaft mit hoher Ambi­ti­on, mit effi­zi­en­ten Instru­men­ten, wirk­sa­mem sozia­len Ausgleich und einer konse­quent inter­na­tio­na­len Perspek­ti­ve kann den Weg hin zur Klima­neu­tra­li­tät weisen. Dazu sind geeig­ne­te Prio­ri­tä­ten zu setzen.

1. Klima­po­li­tik muss das Poten­ti­al des Mark­tes nutzen. Bislang konnte die Poli­tik Hinwei­se auf die mangeln­de Effi­zi­enz ihres Mittel­ein­sat­zes leicht igno­rie­ren, zu gering waren die volks­wirt­schaft­li­chen Kosten und zu wenig spür­bar für die meis­ten. Ange­sichts der neuen Ambi­tio­nen ist das weder in Deutsch­land noch in Europa eine gang­ba­re Option. Darum ist die Poli­tik gut bera­ten, wenn sie das Inno­va­ti­ons­po­ten­ti­al der Märkte nutzt.

Mit einem CO2-Preis als Leit­in­stru­ment erhal­ten Unter­neh­men und Haus­hal­te einen Anreiz für Inves­ti­tio­nen in Emis­si­ons­min­de­run­gen und für Ände­run­gen ihrer Konsum­entschei­dun­gen, ohne dass es immer wieder zusätz­li­cher Förder­instru­men­te und Tech­no­lo­gie­pro­gram­me bedarf. Die Geschäfts­mo­del­le der Unter­neh­men und die Entschei­dun­gen der Haus­hal­te werden nämlich durch den CO2-Preis grund­sätz­lich verän­dert. Nur durch Konzen­tra­ti­on auf rich­ti­ge Anrei­ze über Preis­si­gna­le kann der hohe Koor­di­nie­rungs­be­darf zwischen den vielen dezen­tra­len Akteu­ren geleis­tet werden – über Regio­nen, Sekto­ren und Tech­no­lo­gi­en hinweg.

Es braucht einen star­ken Staat, der die Verläss­lich­keit der Rahmen­be­din­gun­gen erhöht. Er muss so souve­rän sein, die klima­po­li­ti­schen Rahmen­be­din­gun­gen markt­ori­en­tiert zu gestal­ten und Detail­ent­schei­dun­gen weit­ge­hend priva­ten Akteu­ren zu über­las­sen. Vertrau­en seitens der Inves­to­ren in die Stand­fes­tig­keit der Poli­tik bei der Durch­set­zung des einge­schla­ge­nen Weges ist nötig, damit lang­le­bi­ge Inves­ti­tio­nen getä­tigt werden.

2. Klima­po­li­tik muss sekto­ra­le, regio­na­le und zeit­li­che Flexi­bi­li­tä­ten nutzen. Grund­sätz­lich hat Deutsch­land die insti­tu­tio­nel­len Voraus­set­zun­gen geschaf­fen, den CO2-Preis als sekto­ren­über­grei­fen­des Leit­in­stru­ment weiter zu stär­ken. Mit dem Brenn­stoff­emis­si­ons­han­dels­ge­setz wurde für Verkehr und Gebäu­de ein natio­na­les Emis­si­ons­han­dels­sys­tem einge­rich­tet, mit dem sich grund­sätz­lich die natio­na­len Klima­zie­le errei­chen ließen. Um die entspre­chen­de Dyna­mik zu entfa­chen, sollte die Bundes­re­gie­rung die Verstei­ge­rung von Zerti­fi­ka­ten – inner­halb eines brei­te­ren Preis­kor­ri­dors – auf 2023 vorzie­hen und dies nicht erst 2026 begin­nen. Dies liefe auf eine vorzei­ti­ge Erhö­hung der CO2-Preise im Verkehrs- und Wärme­sek­tor hinaus. Durch Fest­le­gung eines Preis­kor­ri­dors kann in der Expe­ri­men­tier­pha­se ein zu hoher Preis­an­stieg verhin­dert werden.

Darüber hinaus muss die neue Bundes­re­gie­rung erheb­li­che Über­zeu­gungs­ar­beit leis­ten, um alle EU-Mitglied­staa­ten hinter dem Vorschlag eines zwei­ten euro­päi­schen Emis­si­ons­han­dels für Verkehr und Gebäu­de zu versam­meln und ein posi­ti­ves Votum im Rat der EU zu errei­chen. Mittel­fris­tig ist auf eine Inte­gra­ti­on mit dem bishe­ri­gen euro­päi­schen Emis­si­ons­han­del für Strom und Indus­trie zu drin­gen.

Die deut­sche Klima­po­li­tik legt bislang Sektor­zie­le für Emis­si­ons­min­de­run­gen im Bereich Verkehr, Wärme, Gebäu­de und Land­wirt­schaft fest. Als Warn­si­gnal für spezi­fi­sche Heraus­for­de­run­gen kann das hilf­reich sein, aber: Wenn die Poli­tik Sektor für Sektor für die kommen­den Jahre Emis­si­ons­höchst­men­gen vorschreibt, legt sie den priva­ten Akteu­ren ein Korsett an und treibt die Kosten des Umstiegs in die Höhe. Es sollte daher darum gehen, dass die Sekto­ren auf einem lang­fris­tig erfolg­ver­spre­chen­den Weg sind.

Statt die momen­ta­nen Treib­haus­gas­emis­sio­nen in den Vorder­grund zu stel­len, soll­ten Indi­ka­to­ren verwen­det werden, die die Befä­hi­gung für weit­rei­chen­de Emis­si­ons­re­duk­ti­on in der Zukunft berück­sich­ti­gen und auch Versor­gungs­si­cher­heit und Bezahl­bar­keit der Trans­for­ma­ti­on in den Blick nehmen. Die Bundes­re­gie­rung sollte nicht mit jähr­li­chen Sofort­pro­gram­men auf Ziel­ver­feh­lun­gen reagie­ren, sondern zu Beginn der Wahl­pe­ri­ode einen umfas­sen­den, koor­di­nier­ten Klima­plan vorle­gen und diesen sorg­sam auf seine Wirk­sam­keit hin evalu­ie­ren. Das ist umso einfa­cher, je wirk­sa­mer der CO2-Preis ist: Subven­ti­ons­pro­gram­me oder ordnungs­recht­li­che Maßnah­men korri­gie­ren dann ledig­lich die Inef­fi­zi­en­zen, die ein CO2-Preis nicht behe­ben kann.

3. Klima­po­li­tik muss poli­tisch durch­setz­bar sein. Uner­wünsch­te Vertei­lungs­wir­kun­gen sind ein Problem der Klima­po­li­tik: Einkom­mens­schwä­che­re Haus­hal­te geben einen größe­ren Anteil ihres Einkom­mens für Strom, Mobi­li­tät und Wärme aus und haben weni­ger Möglich­kei­ten zu Anpas­sun­gen. Alle Maßnah­men, die expli­zit oder impli­zit die Kosten für Strom, Mobi­li­tät und Wärme erhö­hen, belas­ten diese Haus­hal­te beson­ders. Aller­dings hat eine stär­ke­re CO2-Beprei­sung einen unschätz­ba­ren Vorteil: Einnah­men können für den sozia­len Ausgleich genutzt werden. So lässt sich eine Netto-Belas­tung der unte­ren Einkom­men bei rich­ti­ger Ausge­stal­tung weit­ge­hend vermei­den.

Eine CO2-basier­te Reform der Ener­gie­steu­ern und -abga­ben ist für die Trans­for­ma­ti­on unver­zicht­bar. Beson­ders dring­lich ist dies für den Strom. Eine stär­ke­re CO2-Beprei­sung sollte hier mit einer Reduk­ti­on staat­li­cher Strom­preis­be­stand­tei­le einher­ge­hen. So gelingt die Abfe­de­rung sozia­ler Härten in den unte­ren Einkom­mens­klas­sen. Vor allem die EEG-Umlage für die erneu­er­ba­ren Ener­gi­en sollte schnell nicht mehr über den Strom­preis, sondern aus Steu­er­geld finan­ziert werden.

Das führt zu einem umfas­sen­den Büro­kra­tie­ab­bau und macht auch die Sektor­kopp­lung, also die Nutzung erneu­er­ba­ren Stroms in allen Sekto­ren, attrak­ti­ver. Wird Strom güns­ti­ger, lohnen sich Inves­ti­tio­nen etwa in klima­neu­tra­le Mobi­li­tät oder Heizun­gen. Die Elek­tri­fi­zie­rung ist ein Schlüs­sel für das Errei­chen der Klima­neu­tra­li­tät. Darüber hinaus kann an eine Rück­ver­tei­lung pro Kopf für ärmere Haus­hal­te gedacht werden, als zusätz­li­che Hilfe.

4. Klima­po­li­tik muss mit geziel­ten Maßnah­men den CO2-Preis flan­kie­ren, denn nur so kann ein CO2-Preis volle Wirkung entfal­ten. Inves­ti­tio­nen in klima­neu­tra­le Tech­no­lo­gi­en sind vieler­orts nur attrak­tiv, wenn erwar­tet wird, dass Infra­struk­tu­ren für Ener­gie­trans­port oder klima­neu­tra­le Mobi­li­tät verfüg­bar sein werden. Planung und Bau dieser Infra­struk­tu­ren müssen beschleu­nigt werden. Das erfor­dert den Einsatz öffent­li­cher Mittel und europä­isches Denken, aber vor allem den Abbau von Hemm­nis­sen, die dem schnel­len Aufbau seit je entge­gen­ste­hen.

Alle Maßnah­men, die über Infra­struk­tur­för­de­rung hinaus­ge­hen, soll­ten abge­wo­gen, punk­tu­ell und tempo­rär ange­legt werden. Bestehen­de Instru­men­te müssen dabei kritisch über­prüft werden. So könnte der Ausbau der Erneu­er­ba­ren heute schon vieler­orts markt­ge­trie­ben statt­fin­den. Dafür müssen auch hier Hemm­nis­se abge­baut werden bei Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren und bei der Flächen­ku­lis­se. Dazu gehört auch eine Ausge­stal­tung der Förder­instru­men­te, mit der die Inte­gra­ti­on der Erneu­er­ba­ren in den euro­päi­schen Strom­markt gelin­gen kann – durch eine Weiter­ent­wick­lung des Aukti­ons­de­signs und durch einen stär­ker euro­päi­schen Blick beim EE-Ausbau.

Auch beim Umstieg auf Wasser­stoff in der Indus­trie und in Teilen der Mobi­li­tät muss die Umstel­lung von Anla­gen und Anwen­dun­gen möglichst schnell in Gang gesetzt werden. Eine Farben­leh­re des Wasser­stoffs ist hier in der kurzen Frist wenig hilf­reich. Um die Klima­zie­le zu errei­chen, ist unmit­tel­bar und in großem Umfang in neue Anla­gen zu inves­tie­ren. Der Förder­auf­wand für die Betriebs­kos­ten wird um ein Viel­fa­ches nied­ri­ger sein, wenn in einer Über­gangs­zeit Gas oder blauer Wasser­stoff genutzt werden können. Der Vorteil: Es kann sofort der nötige Umbau ange­gan­gen werden. Sobald grüner Wasser­stoff in großen Mengen verfüg­bar wird, kann auf die Nutzung fossi­ler Ener­gie­trä­ger weit­ge­hend verzich­tet werden.

Da die Einspar­po­ten­tia­le je nach Tech­no­lo­gie sehr unter­schied­lich sind, kommt es im Über­gang darauf an, Emis­sio­nen zu zerti­fi­zie­ren und konse­quent mit einem Preis­schild zu verse­hen. Ohne einen solchen prag­ma­ti­schen Weg droht entwe­der eine Verla­ge­rung der Indus­trie­pro­duk­ti­on ins Ausland, wo sie gerin­ge­ren Aufla­gen unter­liegt, oder die Umstel­lung der Anla­gen zieht sich bis weit ins kommen­de Jahr­zehnt hinein, mit entspre­chend nega­ti­ven Auswir­kun­gen auf die Emis­sio­nen.

5. Klima­po­li­tik muss in großem Umfang priva­te Inves­ti­tio­nen mobi­li­sie­ren. Priva­te Inves­ti­tio­nen machen fast 90 Prozent der gesamt­wirt­schaft­li­chen Brut­to­an­la­ge­inves­ti­tio­nen in Deutsch­land aus. Mit den rich­ti­gen Rahmen­be­din­gun­gen kann dieser „Tanker“ stär­ker auf klima­freund­li­che Geschäfts­mo­del­le ausge­rich­tet und umge­steu­ert werden. Der aktu­el­le Fokus auf öffent­li­che Inves­ti­tio­nen in Deutsch­land droht dage­gen in die falsche Rich­tung zu führen. Es wäre eine Illu­si­on zu glau­ben, die Trans­for­ma­ti­on könnte vor allem durch öffent­li­che Inves­ti­tio­nen oder umfang­rei­che Staats­hil­fen voran­ge­trie­ben werden. Nicht zuletzt sei hier auf die poli­ti­k­öko­no­mi­schen Fehl­an­rei­ze verwie­sen, die öffent­li­che Ausga­ben für den Klima­schutz seit langer Zeit beglei­ten und im Ergeb­nis oft zu Kompro­mis­sen zulas­ten Drit­ter – meist der Steu­er­zah­ler – führ­ten.

6. Klima­po­li­tik muss inter­na­tio­nal ausge­stal­tet werden. Klima­schutz braucht globa­le Koope­ra­ti­on. Nur im Schul­ter­schluss mit den wich­tigs­ten Handels­part­nern wird es möglich sein, entschei­den­de Tech­no­lo­gi­en und Inno­va­tio­nen voran­zu­brin­gen, zu skalie­ren und Poten­tia­le zur güns­ti­gen Emis­si­ons­min­de­rung zu heben. Nicht zuletzt ermög­licht globa­le Koope­ra­ti­on höhere regio­na­le Ambi­tio­nen. So könn­ten China, die USA und die EU zunächst trila­te­ral über CO2-Mindest­prei­se verhan­deln. Darüber hinaus könn­ten sie Ländern, die nach wie vor von der Kohle abhän­gen, wie Viet­nam, Indo­ne­si­en oder Bangla­desch, beim Aufbau eines fossil­frei­en Ener­gie­sys­tems helfen – durch zins­güns­ti­ge Kredi­te oder Zuschüs­se aus einem Inves­ti­ti­ons­fonds, in den auch andere Länder einzah­len können. Die Empfän­ger­län­der würden sich im Gegen­zug zur Einfüh­rung einer eige­nen CO2-Beprei­sung verpflich­ten.

Russ­land rech­net damit, dass durch den Europe­an Green Deal die Gasnach­fra­ge in Europa sinken wird. Wenn es selbst einen CO2-Mindest­preis für die eige­nen Gasex­por­te erhebt und im Gegen­zug die europä­ische CO2-Beprei­sung entfal­len kann, landen die Einnah­men beim russi­schen Finanz­mi­nis­ter und nicht in der EU. Euro­pas Emis­sio­nen würden dennoch sinken. Auch Japan könnte mittel­fris­tig einen Mindest­preis erhe­ben. Gelingt es, Indien mit ins Boot zu holen – was nicht einfach werden wird –, würde dieser Club immer­hin zwei Drit­tel der welt­wei­ten Emis­sio­nen ein Preis­schild anhef­ten. Entspre­chend sollte die neue Bundes­re­gie­rung beim nächs­ten G7-Gipfel im Früh­som­mer 2022 die Grund­sät­ze ihrer stra­te­gi­schen Klima­au­ßen­po­li­tik vorstel­len und konse­quent voran­trei­ben.

Wenn unsere Handels­part­ner ihren Verpflich­tun­gen aus dem Pari­ser Abkom­men nach­kom­men und im Gleich­schritt ihre Klima­po­li­tik verschär­fen, sinkt die Gefahr von Carbon Leak­age und Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen auf globa­len Märk­ten. Dabei wird man sich aber in zwei Punk­ten ehrli­che Rechen­schaft geben müssen:

Erstens wird es eine ambi­tio­nier­te globa­le Klima­po­li­tik nur geben können, wenn zugleich eine erheb­li­che Umver­tei­lung finan­zi­el­ler Mittel von den Indus­trie­län­dern zu den Entwick­lungs- und Schwel­len­län­dern und damit einher­ge­hend ein umfas­sen­der Tech­no­lo­gie­trans­fer verwirk­licht wird. Der beschleu­nig­te Aufbau welt­wei­ter grüner Wert­schöp­fungs­ket­ten wird – beispiels­wei­se im Anla­gen­bau – wieder­um attrak­ti­ve Märkte eröff­nen. Für die deut­sche Volks­wirt­schaft liegt in der globa­len Klima­ko­ope­ra­ti­on auch eine Chance.

Zwei­tens werden Ener­gie­im­por­te in massi­vem Ausmaß auch in Zukunft für die Ener­gie­wen­de notwen­dig sein. Deutsch­land ist wie kaum ein ande­res Land in die globa­len Handels- und Leis­tungs­bi­lanz­strö­me einge­bet­tet. Grüner Strom und Wasser­stoff werden aber in ande­ren Regio­nen der Welt güns­ti­ger verfüg­bar sein. Daher sind Impor­te grund­sätz­lich volks­wirt­schaft­lich sinn­voll und leis­ten einen Beitrag zu unse­rem Wohl­stand. Vor dem Hinter­grund der aktu­el­len Gaskri­se wird aber auch deut­lich, dass es mehr lang­fris­ti­ge, vertrau­ens­vol­le, stabi­le Ener­gie­part­ner­schaf­ten und eine Diver­si­fi­zie­rung der Anbie­ter braucht, um Abhän­gig­kei­ten und eine Gefähr­dung der Sicher­heit der Ener­gie­ver­sor­gung zu mini­mie­ren. Dies betrifft auch Part­ner­schaf­ten mit bishe­ri­gen fossi­len Liefe­ran­ten, inso­fern diese über entspre­chen­de Poten­tia­le für grüne Ener­gi­en verfü­gen.

Es gibt einen brei­ten Konsens für eine ehrgei­zi­ge Klima­po­li­tik: Die Wirt­schaft ist bereit, den Weg der Trans­for­ma­ti­on zu beschrei­ten, die Jugend fordert die Siche­rung ihrer Lebens­grund­la­gen, und die Verhand­lun­gen in Glas­gow zeigen, dass auch die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft Schrit­te in Rich­tung Treib­haus­gas­neu­tra­li­tät gehen will. Die Poli­tik muss jetzt einen großen Wurf wagen: Der klima­po­li­ti­sche Ehrgeiz hat nur dann eine Chance, sein Verspre­chen einzu­lö­sen, wenn er die Kraft der Märkte nutzt und konse­quent über natio­na­le Gren­zen hinaus denkt; dazu bedarf es eines star­ken Staa­tes, der stand­fest zu seinen klima­po­li­ti­schen Zielen steht, sich mit Weit­blick und stra­te­gisch inter­na­tio­nal enga­giert und durch sozia­len Ausgleich die Gesell­schaft zusam­men­führt. So könnte Klima­po­li­tik ein Signal des Aufbruchs werden: Sie kann, wenn sie klug gemacht ist, den Wohl­stand sichern und die Frei­heits­rech­te künf­ti­ger Gene­ra­tio­nen wahren.