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Ein Ausgleich für die Klimapolitik

Der CO2-Preis verteuert vor allem Autofahren und Heizen. Das birgt soziale Sprengkraft. Die Einnahmen sollen daher über einen fairen Ausgleich an die Bürger zurückfließen, schreiben Autoren des RWI und des PIK in einem Gastbeitrag.

Egal, welche Koalition Deutschland in den kommenden Jahren regieren wird – die Klimapolitik wird ein bestimmendes Thema der Legislaturperiode werden. Eine, wenn nicht die entscheidende Stellschraube bildet dabei der CO2-Preis, der im Grundsatz sowohl von den Grünen als auch von der FDP unterstützt wird und der somit zum wichtigsten Pfeiler der künftigen Klimapolitik werden könnte. Seit der Einführung zu Beginn des Jahres sind durch den aktuellen Preis von 25 Euro je Tonne CO2 Heizöl und Diesel knapp acht Cent pro Liter und Benzin etwa sieben Cent pro Liter teurer geworden. Bis zum Jahr 2026 soll der CO2-Preis nach jetziger Gesetzeslage auf maximal 65 Euro ansteigen. Dies wird Heizöl und Diesel um etwa 20,5 Cent und Benzin um gut 18 Cent pro Liter verteuern. Auch wenn die CO2-Bepreisung eine hocheffektive Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel ist, wird es voraussichtlich eine Zeit dauern, bis sich ihre Wirkung voll entfaltet. Kurzfristig ist hingegen nur mit moderaten Auswirkungen auf den Verbrauch fossiler Kraft- und Brennstoffe zu rechnen – wer im Alltag auf das Auto angewiesen ist, wird den Spritverbrauch selbst bei gestiegenen Preisen kaum reduzieren, zumal die Preisanstiege ungefähr den täglichen Preisschwankungen an den Zapfsäulen entsprechen. Mindestens ebenso schwierig sind Einsparungen beim Heizen. Mittel- bis langfristig dürfte das Kalkül hinter der CO2-Bepreisung aber vollumfänglich aufgehen: Im Wissen um die jährliche Verteuerung fossiler Energie durch den CO2-Preis werden Konsumenten bei Neuanschaffungen von Autos und Heizungssystemen zunehmend auf energieeffizientere und treibhausgasärmere Alternativen setzen. Die finanziellen Auswirkungen der CO2-Bepreisung spüren viele Haushalte dagegen unmittelbar: Spätestens bei ihrer nächsten Heizkostenabrechnung werden vor allem einkommensschwache Haushalte die gestiegenen Heizkosten bemerken. Bereits vor ihrer Einführung hat eine Befragung des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und der Universität Oxford gezeigt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz der CO2-Bepreisung stark vom Einkommen der Befragten abhängt: Während insgesamt eine Mehrheit von knapp 54 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit war, zum Zwecke des Klimaschutzes höhere Kosten in Kauf zu nehmen, betrug die Zustimmung hierzu bei Befragten der untersten Einkommensgruppe unter 40 Prozent. Und die Befragungsergebnisse zeigen auch klar auf, dass mit steigenden CO2-Preisen die Zustimmungswerte fallen. Diese Ergebnisse sind nachvollziehbar, denn die CO2-Bepreisung hat regressive Wirkungen: Einkommensschwache Haushalte haben dadurch im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten stärkere Lasten zu tragen als wohlhabendere Haushalte, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Güter wie Benzin oder Heizöl ausgeben. So gibt ein armutsgefährdeter Dreipersonenhaushalt mit einem Monatseinkommen von rund 2180 Euro, das entspricht etwa 60 Prozent des mittleren Einkommens, durchschnittlich knapp 200 Euro pro Monat für Energie aus – also rund neun Prozent. Eine Familie mit dem doppelten Einkommen verwendet dagegen weniger als sechs Prozent des Einkommens auf Energie. Dies macht klar, dass einer diese Schieflage korrigierenden Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung eine bedeutende Rolle zukommt, wenn eine breitere Unterstützung dieses Klimaschutzinstrumentes durch einkommensschwache Haushalte erreicht werden soll. Grundsätzlich scheint dieser Zusammenhang in der Politik angekommen zu sein: Schließlich versicherten alle Parteien vor Einführung der CO2-Bepreisung, dass sämtliche daraus resultierende Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürgern zurückfließen sollen. Um dieses Versprechen einzulösen, wurde ein bunter Strauß an Maßnahmen beschlossen. Manche davon kommen tatsächlich einkommensschwachen Haushalten zugute, etwa die Mobilitätsprämie für Geringverdiener und die Erhöhung des Wohngeldes. Zu den Maßnahmen gehören aber auch die Förderung der energetischen Gebäudemodernisierung und die Erhöhung der Pendlerpauschale sowie der Prämien für den Kauf von Elektrofahrzeugen – alles Maßnahmen, von denen eher einkommensstarke Haushalte begünstigt werden. So steigt die Entlastung infolge der Erhöhung der Pendlerpauschale mit höherem Einkommen durch den wachsenden Steuervorteil an. Insbesondere gutverdienende Pendler mit langen Wegen werden in den nächsten Jahren überkompensiert: Sie sparen mehr Steuern, als sie an der Tankstelle zusätzlich bezahlen. Die Pendlerpauschale zu erhöhen ist darüber hinaus ökologisch kontraproduktiv, denn sie kommt einer Kompensation der CO2-Bepreisung im Autoverkehr gleich und schwächt damit die Anreize zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs (noch widersinniger wäre allerdings die zuletzt aufgekommene Idee eines Benzinpreisdeckels). Allein das Signal eines Kostenausgleichs pro Kilometer hat eine kontraproduktive Wirkung und verhindert, dass die Fahrleistung substanziell gesenkt wird. Zwar wird die Pauschale auch auf Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln angerechnet – doch gerade bei längeren Wegen zur Arbeit ist das Auto auch jenseits von Corona-Pandemie und Bahnstreiks nach wie vor das meistgenutzte Verkehrsmittel. Noch weniger als die Pendlerpauschale kommt die Erhöhung der Prämie für Elektrofahrzeuge einkommensschwachen Haushalten zugute – zumindest solange diese preislich kaum mit Verbrennern konkurrieren können. Auch die im Corona-Konjunkturpaket enthaltene homöopathische Senkung der EEG-Umlage von knapp 6,8 Cent je Kilowattstunde auf 6,5 Cent in diesem und 6 Cent ab dem kommenden Jahr entlastet einkommensschwache Haushalte nur geringfügig. Was fehlt, ist ein breit angelegter und konzertierter Ausgleichsmechanismus, der insbesondere Gering- und Durchschnittsverdienern zugutekommt. Die regressive Natur der Bepreisung birgt bei steigenden CO2-Preisen in den kommenden Jahren eine hohe soziale Sprengkraft. Um diese abzumildern, sind die bislang beschlossenen Förderprogramme und Einzelmaßnahmen ungeeignet. Statt Förderprogramme zu verlängern, wie jüngst mit der Fortsetzung der Prämienzahlungen für Elektrofahrzeuge bis zum Jahr 2025 geschehen, und weitere diskretionäre Maßnahmen zu beschließen, sollte der weitaus größte Anteil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung für die allgemeine Entlastung der Bevölkerung verwendet werden – und zwar zuallererst über den Strompreis. Die Entlastung beim Strompreis durch die Senkung von Abgaben und Steuern ist aus vielerlei Gründen ratsam: Erstens unterscheiden sich die Stromausgaben nur geringfügig zwischen verschiedenen Einkommensgruppen – durch eine Senkung der Abgaben würden also alle Haushalte in etwa gleichermaßen entlastet und relativ zum Einkommen sogar insbesondere die einkommensschwächeren. Zweitens wäre dies förderlich für die sogenannte Sektorkopplung, bei der zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von Sektoren wie dem Verkehr und dem Gebäudebereich vermehrt grüner Strom eingesetzt werden soll. Durch die Verringerung des Strompreises aufgrund des Wegfallens von Abgaben wie der EEG-Umlage wird es attraktiver, Strom zum Heizen zu benutzen, vorwiegend mittels Wärmepumpen, während das Heizen mit fossilen Brennstoffen durch die CO2-Bepreisung unattraktiver wird. Ebenso gewinnt die Elektromobilität gegenüber PKWs mit konventionellen Verbrennungsmotoren an Attraktivität. Drittens würde die Senkung der Stromabgaben einen Fehler im System bereinigen: Es ist aus ökonomischer Sicht äußerst fraglich, warum bislang die Stromverbraucher – und damit im hohen Maße auch einkommensschwache Haushalte – und nicht die Steuerzahler für die Förderung vieler Maßnahmen wie der Kraftwärmekopplung oder der erneuerbaren Energietechnologien aufkommen müssen. Viertens ist die Verringerung der Stromsteuer, möglichst auf den EU-Mindestsatz, überfällig. Denn angesichts des zunehmenden Anteils grünen Stroms am Strommix verliert die Lenkungswirkung der Stromsteuer zunehmend an Bedeutung. Und fünftens ist die Stromsteuer bereits seit Einführung des EU-Emissionshandels im Jahr 2005 weitgehend redundant, da dadurch die Emissionen im Stromerzeugungssektor und in der Industrie bereits erfasst werden. Wenn der CO2-Preis wie beabsichtigt in den kommenden Jahren deutlich steigt, könnten die zusätzlichen Einnahmen mittels einer pauschalen Rückzahlung – von den Grünen Energiegeld, von der FDP Klimadividende genannt – ausgeschüttet werden. Dabei würde jede Person, auch jedes Kind, den gleichen jährlichen Auszahlungsbetrag erhalten. Bei einem CO2-Preis von 60 Euro pro Tonne wären dies nach Berechnungen des Mercator Research Institute of Global Commons and Climate Change (MCC) 150 Euro pro Person im Jahr, wenn sämtliche Einnahmen pauschal ausgezahlt würden. Weil sich die Rückzahlung automatisch an den CO2-Preis anpasst, ist eine sozial ausgewogene Rückerstattung auch bei ansteigenden CO2-Preisen garantiert. Allerdings ist der zusätzliche Verwaltungsaufwand der Einführung und Auszahlung einer Klimadividende beträchtlich. Diese pauschale Form der Rückerstattung käme deshalb erst bei höheren CO2-Preisen – möglichst in Ergänzung zur administrativ unkomplizierten Senkung der Stromabgaben – in Frage. Sonst wäre der Aufwand im Vergleich zu den Auszahlungsbeträgen unverhältnismäßig hoch. Die pauschale Form der Rückverteilung dürfte die Unterstützung höherer CO2-Preise noch einmal befördern. Das legt die oben erwähnte Befragung von RWI, PIK und der Universität Oxford nahe, bei der sich eine Mehrheit der 6.000 Teilnehmenden für die pauschale Rückerstattung aussprach. Die Auswertung des Experiments im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne ergab, dass der Effekt dieser Wahl der Rückerstattung auf die Zustimmung bei Teilnehmenden mit niedrigen Einkommen besonders groß ist. Bei einem CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne steigt die Zustimmung für den Fall, dass die Einnahmen pauschal an die Bevölkerung zurückgezahlt werden, an, bei einkommensschwachen Haushalten sogar von deutlich unter 40 auf über 60 Prozent. Die Frage nach der richtigen Kompensation der CO2-Bepreisung wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Denn mit der Verschärfung des Klimaschutzziels für das Jahr 2030 wurden bereits erste Stimmen laut, die eine vorzeitige Erhöhung des für die kommenden Jahre beschlossenen CO2-Preises fordern. So sieht das Klimaschutzsofortprogramm der Grünen eine Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro im Jahr 2023 vor, statt der gesetzlich festgelegten 35 Euro. Würde dies in die Tat umgesetzt, bekämen dies besonders die Haushalte mit geringem Einkommen zu spüren, falls nicht für eine entsprechende Kompensation gesorgt würde. Um zu erahnen, wie sich zusätzliche Energiekosten beispielsweise auf eine Familie mit einem Nettoeinkommen von unter 1.300 Euro auswirken – alleine dies sind knapp 7,5 Millionen Haushalte in Deutschland –, hilft ein Beispiel: Alleine die CO2-Bepreisung auf Kraft- und Brennstoffe würde bei einem Preis von 100 Euro pro Tonne CO2 bei Haushalten in dieser Einkommensgruppe im Durchschnitt mit rund 40 Euro pro Monat zu Buche schlagen. Das entspricht dem Gesamtbetrag, der aktuell im Hartz-IV-Regelsatz für Verkehr veranschlagt wird. Die Politik würde dann noch stärker in Handlungsnot geraten, die Lasten der Klimapolitik gerechter zu verteilen. Daher sollte die nächste Bundesregierung zügig Schritte einleiten, um die soziale Schieflage wirksamer und transparenter abzupuffern. Ist das Vertrauen erst einmal verspielt, könnte es für Reparaturmaßnahmen zu spät sein. In der abgedruckten Version des Gastbeitrags stand fälschlicherweise: "Eine Familie mit dem doppelten Einkommen verwendet dagegen nur rund drei Prozent des Einkommens auf Energie." Richtig sind aber "weniger als sechs Prozent" (5,5 Prozent). Wir haben den Fehler im Text korrigiert.Egal, welche Koalition Deutschland in den kommenden Jahren regieren wird – die Klimapolitik wird ein bestimmendes Thema der Legislaturperiode werden. Eine, wenn nicht die entscheidende Stellschraube bildet dabei der CO2-Preis, der im Grundsatz sowohl von den Grünen als auch von der FDP unterstützt wird und der somit zum wichtigsten Pfeiler der künftigen Klimapolitik werden könnte. Seit der Einführung zu Beginn des Jahres sind durch den aktuellen Preis von 25 Euro je Tonne CO2 Heizöl und Diesel knapp acht Cent pro Liter und Benzin etwa sieben Cent pro Liter teurer geworden. Bis zum Jahr 2026 soll der CO2-Preis nach jetziger Gesetzeslage auf maximal 65 Euro ansteigen. Dies wird Heizöl und Diesel um etwa 20,5 Cent und Benzin um gut 18 Cent pro Liter verteuern. Auch wenn die CO2-Bepreisung eine hocheffektive Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel ist, wird es voraussichtlich eine Zeit dauern, bis sich ihre Wirkung voll entfaltet. Kurzfristig ist hingegen nur mit moderaten Auswirkungen auf den Verbrauch fossiler Kraft- und Brennstoffe zu rechnen – wer im Alltag auf das Auto angewiesen ist, wird den Spritverbrauch selbst bei gestiegenen Preisen kaum reduzieren, zumal die Preisanstiege ungefähr den täglichen Preisschwankungen an den Zapfsäulen entsprechen. Mindestens ebenso schwierig sind Einsparungen beim Heizen. Mittel- bis langfristig dürfte das Kalkül hinter der CO2-Bepreisung aber vollumfänglich aufgehen: Im Wissen um die jährliche Verteuerung fossiler Energie durch den CO2-Preis werden Konsumenten bei Neuanschaffungen von Autos und Heizungssystemen zunehmend auf energieeffizientere und treibhausgasärmere Alternativen setzen. Die finanziellen Auswirkungen der CO2-Bepreisung spüren viele Haushalte dagegen unmittelbar: Spätestens bei ihrer nächsten Heizkostenabrechnung werden vor allem einkommensschwache Haushalte die gestiegenen Heizkosten bemerken. Bereits vor ihrer Einführung hat eine Befragung des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und der Universität Oxford gezeigt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz der CO2-Bepreisung stark vom Einkommen der Befragten abhängt: Während insgesamt eine Mehrheit von knapp 54 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit war, zum Zwecke des Klimaschutzes höhere Kosten in Kauf zu nehmen, betrug die Zustimmung hierzu bei Befragten der untersten Einkommensgruppe unter 40 Prozent. Und die Befragungsergebnisse zeigen auch klar auf, dass mit steigenden CO2-Preisen die Zustimmungswerte fallen. Diese Ergebnisse sind nachvollziehbar, denn die CO2-Bepreisung hat regressive Wirkungen: Einkommensschwache Haushalte haben dadurch im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten stärkere Lasten zu tragen als wohlhabendere Haushalte, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Güter wie Benzin oder Heizöl ausgeben. So gibt ein armutsgefährdeter Dreipersonenhaushalt mit einem Monatseinkommen von rund 2180 Euro, das entspricht etwa 60 Prozent des mittleren Einkommens, durchschnittlich knapp 200 Euro pro Monat für Energie aus – also rund neun Prozent. Eine Familie mit dem doppelten Einkommen verwendet dagegen weniger als sechs Prozent des Einkommens auf Energie. Dies macht klar, dass einer diese Schieflage korrigierenden Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung eine bedeutende Rolle zukommt, wenn eine breitere Unterstützung dieses Klimaschutzinstrumentes durch einkommensschwache Haushalte erreicht werden soll. Grundsätzlich scheint dieser Zusammenhang in der Politik angekommen zu sein: Schließlich versicherten alle Parteien vor Einführung der CO2-Bepreisung, dass sämtliche daraus resultierende Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürgern zurückfließen sollen. Um dieses Versprechen einzulösen, wurde ein bunter Strauß an Maßnahmen beschlossen. Manche davon kommen tatsächlich einkommensschwachen Haushalten zugute, etwa die Mobilitätsprämie für Geringverdiener und die Erhöhung des Wohngeldes. Zu den Maßnahmen gehören aber auch die Förderung der energetischen Gebäudemodernisierung und die Erhöhung der Pendlerpauschale sowie der Prämien für den Kauf von Elektrofahrzeugen – alles Maßnahmen, von denen eher einkommensstarke Haushalte begünstigt werden. So steigt die Entlastung infolge der Erhöhung der Pendlerpauschale mit höherem Einkommen durch den wachsenden Steuervorteil an. Insbesondere gutverdienende Pendler mit langen Wegen werden in den nächsten Jahren überkompensiert: Sie sparen mehr Steuern, als sie an der Tankstelle zusätzlich bezahlen. Die Pendlerpauschale zu erhöhen ist darüber hinaus ökologisch kontraproduktiv, denn sie kommt einer Kompensation der CO2-Bepreisung im Autoverkehr gleich und schwächt damit die Anreize zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs (noch widersinniger wäre allerdings die zuletzt aufgekommene Idee eines Benzinpreisdeckels). Allein das Signal eines Kostenausgleichs pro Kilometer hat eine kontraproduktive Wirkung und verhindert, dass die Fahrleistung substanziell gesenkt wird. Zwar wird die Pauschale auch auf Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln angerechnet – doch gerade bei längeren Wegen zur Arbeit ist das Auto auch jenseits von Corona-Pandemie und Bahnstreiks nach wie vor das meistgenutzte Verkehrsmittel. Noch weniger als die Pendlerpauschale kommt die Erhöhung der Prämie für Elektrofahrzeuge einkommensschwachen Haushalten zugute – zumindest solange diese preislich kaum mit Verbrennern konkurrieren können. Auch die im Corona-Konjunkturpaket enthaltene homöopathische Senkung der EEG-Umlage von knapp 6,8 Cent je Kilowattstunde auf 6,5 Cent in diesem und 6 Cent ab dem kommenden Jahr entlastet einkommensschwache Haushalte nur geringfügig. Was fehlt, ist ein breit angelegter und konzertierter Ausgleichsmechanismus, der insbesondere Gering- und Durchschnittsverdienern zugutekommt. Die regressive Natur der Bepreisung birgt bei steigenden CO2-Preisen in den kommenden Jahren eine hohe soziale Sprengkraft. Um diese abzumildern, sind die bislang beschlossenen Förderprogramme und Einzelmaßnahmen ungeeignet. Statt Förderprogramme zu verlängern, wie jüngst mit der Fortsetzung der Prämienzahlungen für Elektrofahrzeuge bis zum Jahr 2025 geschehen, und weitere diskretionäre Maßnahmen zu beschließen, sollte der weitaus größte Anteil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung für die allgemeine Entlastung der Bevölkerung verwendet werden – und zwar zuallererst über den Strompreis. Die Entlastung beim Strompreis durch die Senkung von Abgaben und Steuern ist aus vielerlei Gründen ratsam: Erstens unterscheiden sich die Stromausgaben nur geringfügig zwischen verschiedenen Einkommensgruppen – durch eine Senkung der Abgaben würden also alle Haushalte in etwa gleichermaßen entlastet und relativ zum Einkommen sogar insbesondere die einkommensschwächeren. Zweitens wäre dies förderlich für die sogenannte Sektorkopplung, bei der zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von Sektoren wie dem Verkehr und dem Gebäudebereich vermehrt grüner Strom eingesetzt werden soll. Durch die Verringerung des Strompreises aufgrund des Wegfallens von Abgaben wie der EEG-Umlage wird es attraktiver, Strom zum Heizen zu benutzen, vorwiegend mittels Wärmepumpen, während das Heizen mit fossilen Brennstoffen durch die CO2-Bepreisung unattraktiver wird. Ebenso gewinnt die Elektromobilität gegenüber PKWs mit konventionellen Verbrennungsmotoren an Attraktivität. Drittens würde die Senkung der Stromabgaben einen Fehler im System bereinigen: Es ist aus ökonomischer Sicht äußerst fraglich, warum bislang die Stromverbraucher – und damit im hohen Maße auch einkommensschwache Haushalte – und nicht die Steuerzahler für die Förderung vieler Maßnahmen wie der Kraftwärmekopplung oder der erneuerbaren Energietechnologien aufkommen müssen. Viertens ist die Verringerung der Stromsteuer, möglichst auf den EU-Mindestsatz, überfällig. Denn angesichts des zunehmenden Anteils grünen Stroms am Strommix verliert die Lenkungswirkung der Stromsteuer zunehmend an Bedeutung. Und fünftens ist die Stromsteuer bereits seit Einführung des EU-Emissionshandels im Jahr 2005 weitgehend redundant, da dadurch die Emissionen im Stromerzeugungssektor und in der Industrie bereits erfasst werden. Wenn der CO2-Preis wie beabsichtigt in den kommenden Jahren deutlich steigt, könnten die zusätzlichen Einnahmen mittels einer pauschalen Rückzahlung – von den Grünen Energiegeld, von der FDP Klimadividende genannt – ausgeschüttet werden. Dabei würde jede Person, auch jedes Kind, den gleichen jährlichen Auszahlungsbetrag erhalten. Bei einem CO2-Preis von 60 Euro pro Tonne wären dies nach Berechnungen des Mercator Research Institute of Global Commons and Climate Change (MCC) 150 Euro pro Person im Jahr, wenn sämtliche Einnahmen pauschal ausgezahlt würden. Weil sich die Rückzahlung automatisch an den CO2-Preis anpasst, ist eine sozial ausgewogene Rückerstattung auch bei ansteigenden CO2-Preisen garantiert. Allerdings ist der zusätzliche Verwaltungsaufwand der Einführung und Auszahlung einer Klimadividende beträchtlich. Diese pauschale Form der Rückerstattung käme deshalb erst bei höheren CO2-Preisen – möglichst in Ergänzung zur administrativ unkomplizierten Senkung der Stromabgaben – in Frage. Sonst wäre der Aufwand im Vergleich zu den Auszahlungsbeträgen unverhältnismäßig hoch. Die pauschale Form der Rückverteilung dürfte die Unterstützung höherer CO2-Preise noch einmal befördern. Das legt die oben erwähnte Befragung von RWI, PIK und der Universität Oxford nahe, bei der sich eine Mehrheit der 6.000 Teilnehmenden für die pauschale Rückerstattung aussprach. Die Auswertung des Experiments im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne ergab, dass der Effekt dieser Wahl der Rückerstattung auf die Zustimmung bei Teilnehmenden mit niedrigen Einkommen besonders groß ist. Bei einem CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne steigt die Zustimmung für den Fall, dass die Einnahmen pauschal an die Bevölkerung zurückgezahlt werden, an, bei einkommensschwachen Haushalten sogar von deutlich unter 40 auf über 60 Prozent. Die Frage nach der richtigen Kompensation der CO2-Bepreisung wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Denn mit der Verschärfung des Klimaschutzziels für das Jahr 2030 wurden bereits erste Stimmen laut, die eine vorzeitige Erhöhung des für die kommenden Jahre beschlossenen CO2-Preises fordern. So sieht das Klimaschutzsofortprogramm der Grünen eine Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro im Jahr 2023 vor, statt der gesetzlich festgelegten 35 Euro. Würde dies in die Tat umgesetzt, bekämen dies besonders die Haushalte mit geringem Einkommen zu spüren, falls nicht für eine entsprechende Kompensation gesorgt würde. Um zu erahnen, wie sich zusätzliche Energiekosten beispielsweise auf eine Familie mit einem Nettoeinkommen von unter 1.300 Euro auswirken – alleine dies sind knapp 7,5 Millionen Haushalte in Deutschland –, hilft ein Beispiel: Alleine die CO2-Bepreisung auf Kraft- und Brennstoffe würde bei einem Preis von 100 Euro pro Tonne CO2 bei Haushalten in dieser Einkommensgruppe im Durchschnitt mit rund 40 Euro pro Monat zu Buche schlagen. Das entspricht dem Gesamtbetrag, der aktuell im Hartz-IV-Regelsatz für Verkehr veranschlagt wird. Die Politik würde dann noch stärker in Handlungsnot geraten, die Lasten der Klimapolitik gerechter zu verteilen. Daher sollte die nächste Bundesregierung zügig Schritte einleiten, um die soziale Schieflage wirksamer und transparenter abzupuffern. Ist das Vertrauen erst einmal verspielt, könnte es für Reparaturmaßnahmen zu spät sein. In der abgedruckten Version des Gastbeitrags stand fälschlicherweise: "Eine Familie mit dem doppelten Einkommen verwendet dagegen nur rund drei Prozent des Einkommens auf Energie." Richtig sind aber "weniger als sechs Prozent" (5,5 Prozent). Wir haben den Fehler im Text korrigiert.