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RWI Konjunkturberichte

2011

Roland Döhrn, Philipp David An de Meulen, Tobias Kitlinski, Martin Micheli, Torsten Schmidt, Simeon Vosen

Die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland: Magere Perspektiven

Die internationale Konjunktur hat sich seit dem Winterhalbjahr 2010/11 spürbar abgekühlt. Die Industrieproduktion expandierte sowohl in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften als auch in den Schwellenländern zuletzt nur noch moderat. Zu der Abschwächung haben zahlreiche Faktoren beigetragen. In den Schwellenländern machten sich mehr und mehr Überhitzungserscheinungen bemerkbar, auf die die Geldpolitik mit restriktiven Maßnahmen reagierte. Gleichzeitig werteten dort die Währungen häufig auf, was die preisliche Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder verminderte. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zeigten sich Verbraucher und Investoren zunehmend verunsichert. Eine wesentliche Ursache hierfür waren die wachsenden Probleme vieler Länder mit ihren Staatsfinanzen. Zudem häuften sich im Sommer die schlechten Meldungen zur Konjunkturlage, was dazu beitrug, dass es zu starken Kursverlusten an den Aktienmärkten kam. Angesichts der erneuten Turbulenzen an den Finanzmärkten und der sich eintrübenden Konjunkturaussichten wurde der Expansionsgrad der Geldpolitik in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften bisher kaum zurückgenommen und wirkt für sich genommen stimulierend. In den USA hat die Notenbank angekündigt, den Zins bis 2013 auf dem derzeitigen Niveau zu belassen, und für den Fall eines Konjunktureinbruchs weitere expansive Maßnahmen in Aussicht gestellt. Von der Finanzpolitik gehen hingegen eher dämpfende Wirkungen aus. Da die Staatsverschuldung in zahlreichen Ländern ein kritisches Niveau erreicht hat, wurden vielfach Konsolidierungsprogramme beschlossen oder angekündigt. Diese dürften die Konjunktur dämpfen. Ausgehend von diesen Rahmenbedingungen ist zu erwarten, dass die Expansion insbesondere in den fortgeschrittenen Ländern schwach bleibt. Für die Schwellenländer sind die Aussichten im Allgemeinen etwas günstiger. Eine zentrale Annahme der Prognose ist allerdings, dass es den verantwortlichen Institutionen gelingen wird, eine Eskalation der Staatsschuldenkrise zu verhindern. Unter dieser Voraussetzung prognostizieren wir eine zwar verhaltene, aber kontinuierliche Expansion der Weltwirtschaft. Wir erwarten nach der recht kräftigen Zunahme um 5,1% (in Kaufkraftparitäten gerechnet) im Jahr 2010 eine Steigerung des Weltsozialprodukts um 3,7% in diesem bzw. 3,8% im kommenden Jahr. Für den Welthandel mit Waren bedeutet dies eine Ausweitung um 4,1 bzw. 4,7%. Das Risiko einer weiteren Eskalation der Schuldenkrise mit erheblichen realwirtschaftlichen Konsequenzen ist allerdings beträchtlich. Bereits jetzt gibt es deutliche Zeichen, dass das Misstrauen der Banken untereinander aufgrund der Staatsschuldenkrise wieder zunimmt. Damit ist die Gefahr gewachsen, dass die Versorgung der Unternehmen mit Krediten gestört wird, was sich nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise auch auf den internationalen Warenaustausch auswirken dürfte.

Döhrn, R., P. An de Meulen, T. Kitlinski, M. Micheli, T. Schmidt and S. Vosen (2011), Die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland: Magere Perspektiven. RWI Konjunkturberichte, 62, 2, 5-40

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