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RWI Konjunkturberichte

2011

Roland Döhrn, Philipp David An de Meulen, Tobias Kitlinski, Torsten Schmidt, Simeon Vosen

Die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland: Aufschwung setzt sich fort – Divergenzen bleiben groß

In den letzten Monaten des Jahres 2010 hat sich die weltwirtschaftliche Expansion wieder verstärkt. Freilich sind die Unterschiede zwischen den Regionen immer noch beträchtlich. In den meisten Schwellenländern wächst die gesamtwirtschaftliche Produktion derart kräftig, dass hier und da Anzeichen einer Überhitzung zu erkennen sind. Dazu beigetragen hat möglicherweise ein erheblicher Kapitalzufluss in diese Regionen, die die Finanz- und Wirtschaftskrise vergleichsweise gut überstanden hatten und daher attraktiv für Anleger waren. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften blieb die Expansion insgesamt moderat, aber sehr differenziert. Deutschland und die skandinavischen Länder zum Beispiel, in denen der Konjunktureinbruch in erster Linie durch den kurzen, heftigen Rückgang des Welthandels ausgelöst worden war, erholten sich rasch, als der Welthandel wieder ansprang. Nur zögerlich war hingegen der Aufschwung dort, wo Blasen am Immobilienmarkt geplatzt oder der Finanzsektor in massive Probleme geraten war. Dort hat die Staatsverschuldung oft geradezu dramatisch zugenommen, so dass die Konjunktur zudem häufig durch umfangreiche Konsolidierungsprogramme belastet wird. Aufgrund der kräftigeren Expansion der Weltwirtschaft nahm die Nachfrage nach Rohstoffen zu, wodurch deren Preise stiegen. Besonders stark verteuerten sich Nahrungsmittel, wobei manches dafür spricht, dass dies auch strukturelle Ursachen hat, wie die steigende Nachfrage der Schwellenländer und die wachsende Erzeugung von Biokraftstoffen. Zudem dürfte die expansive Geldpolitik der meisten Länder den Preisanstieg begünstigt haben. Die Preise für Rohöl zogen jüngst aber vor allem aufgrund gestiegener Risiken für die Ölversorgung an. Die Teuerung hat sich im Verlauf des vergangenen Jahres weltweit verstärkt. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften reflektiert dies bisher im Wesentlichen die höheren Rohstoffpreise, in einigen Ländern auch Steuererhöhungen. Die Kerninflation blieb hingegen gering. Durch die expansive Geldpolitik hat sich aber ein Liquiditätsüberhang aufgebaut, der bei einer zu zögerlichen Straffung des geldpolitischen Kurses ein Anziehen der Inflation befürchten lässt. Da zudem der Anstieg der Rohstoffpreise zum Teil dauerhaft sein und über Zweitrundeneffekte in die Kerninflation weitergegeben werden dürfte, erwarten wir, dass die Notenbanken im Prognosezeitraum die Leitzinsen deutlich erhöhen werden. In den Schwellenländern ist der Inflationsdruck bereits spürbar höher, so dass viele Notenbanken den Schwenk zu einer restriktiveren Politik bereits vollzogen haben Auch die Finanzpolitik dürfte 2011 und mehr noch 2012 restriktiv ausgerichtet sein. Durch die jüngste Rezession hat die Staatsverschuldung zumeist erheblich zugenommen, so dass eine Konsolidierung dringend geboten ist. Viele Länder haben bereits Maßnahmen eingeleitet, andere – wie die USA und Japan – haben solche angekündigt, wenn auch unklar ist, in welchem Umfang sie realisiert werden.

Döhrn, R., P. An de Meulen, T. Kitlinski, T. Schmidt and S. Vosen (2011), Die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland: Aufschwung setzt sich fort – Divergenzen bleiben groß. RWI Konjunkturberichte, 62, 1, 5-37

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