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RWI Materialien #35

2007

Boris Augurzky, Silja Göhlmann, Rainer Kambeck, Wolfram F. Richter, Harald Tauchmann

Finanzielle Auswirkungen der Einführung des Gesundheitsfonds auf die Bundesländer

Der im Oktober 2006 von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) sieht die Einführung eines Gesundheitsfonds und die Erhebung von Zusatzprämien bzw. Ausschüttungen an die Versicherten ab 2009 vor. Durch diese Umstellung der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist auch mit Verteilungswirkungen zwischen den Bundesländern aus zwei Gründen zu rechnen. Erstens wird durch den Fond im Gegensatz zum heutigen Risikostrukturausgleich (RSA) das gesamte Beitragsaufkommen (100%) der gesetzlichen Krankenversicherung, d.h. inklusive der Verwaltungsausgaben und der Kosten für Satzungsleistungen (etwa 8% der Gesamtausgaben) zwischen den Kassen neu verteilt. Einkommensstarke Länder mit günstiger Risikostruktur werden dadurch stärker belastet. Zweitens wird der länderübergreifende Budgetausgleich verändert, den überregional operierende Kassen intern durchführen. Wird das heute nicht über den RSA verteilte Beitragsaufkommen den Kassen nach der Kopfzahl zugeteilt, so erhöhen sich zusammen mit der kasseninternen Umverteilung die Belastungen der Bürger in NRW, Baden-Württemberg und Bayern jeweils um zweistellige Millionenbeträge. Erfolgt die Zuteilung nach dem Krankheitsrisiko (im Sinne des heutigen RSA), erhöht sich die Belastung in NRW und Baden-Württemberg dagegen um über 100 Mill. Euro, jene in Bayern dagegen nur um etwa 20 Mill. Euro. Die geplante zeitgleiche Einführung eines morbiditätsorientierten RSA 2009 findet bei diesen Berechnungen keine Berücksichtigung. Einige Bundesländer könnten somit die im Gesetzesentwurf genannte Belastungsgrenze von 100 Mill. Euro geringfügig überschreiten, sodass die Einführung einer Konvergenzphase erforderlich würde. Ob diese Belastungsgrenze tatsächlich erreicht wird, hängt jedoch wesentlich davon ab, wie der Gesundheitsfonds den Krankenkassen die Kosten für Verwaltung und Satzungsleistungen erstattet. Eine Erstattung nach der Kopfzahl kann nach den hier vorgestellten Berechnungen eine Überlastung vermeiden, weshalb diese Verrechnung im ersten Schritt empfohlen wird. In einem zweiten Schritt sollte dann das Krankheitsrisiko als weiterer Verrechnungsparameter Berücksichtigung finden. Ob die regionale Betrachtung der Verteilungswirkungen der gesetzlichen Krankenversicherung eine dem Wesen der Sozialversicherung angemessene Perspektive darstellt, ist umstritten (Rürup, Wille 2007). Nichtsdestotrotz sind regionale Verteilungseffekte des geplanten Gesundheitsfonds von großer politischer Relevanz. So betrachten es viele Landesregierungen als legitime Aufgabe, mögliche Belastungen für die Versicherten in ihrem jeweiligen Bundesland gering zu halten. Vor diesem Hintergrund erscheint die Quantifizierung der regionalen Verteilungswirkungen der Einführung des Gesundheitsfonds als relevante wissenschaftliche Fragestellung. Als Be- bzw. Entlastung eines Bundeslandes ist dabei immer die Summe der Be- bzw. Entlastungen der im jeweiligen Bundesland lebenden Versicherten zu verstehen.

ISBN: 978-3-936454-97-0

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