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RWI Konjunkturberichte

2005

Roland Döhrn, György Barabas, Heinz Gebhardt, Torge Middendorf, Antoine-Richard Milton, Heinz Josef Münch, Günter Schäfer, Torsten Schmidt, Ullrich Taureg

Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Weiterhin kein kräftiger Aufschwung

Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland war in den vergangenen Monaten durch ein Auf und Ab gekennzeichnet, weil immer wieder Sonderfaktoren die schwache Grundtendenz überlagerten. Allerdings gibt es die berechtigte Hoffnung, dass der2003 begonnene Aufschwung nur unterbrochen wurde. Die Exporte steigen sehr leb-haft, und die Ausrüstungsinvestitionen sind seit mittlerweile fünf Quartalen in der Tendenz aufwärts gerichtet. Dämpfend wirkt allerdings nach wie vor der private Konsum, der im ersten Halbjahr 2005 sogar leicht sank. Vergleichsweise geringe Spuren hinterließ bisher die Ölverteuerung. Die Zeichen stehen günstig, dass sich die Konjunktur in der zweiten Hälfte 2005 belebt und sich die moderate Aufwärtsbewegung im kommenden Jahr fortsetzt. Getragen werden dürfte sie weiterhin vorwiegend von der Außenwirtschaft. Sie wird jedoch zunehmend auch durch die Investitionen gestützt, da die Finanzierungsbedingungen gut sind und der Kapitalstock durch die lange Zurückhaltung zum Teil veraltet ist. Im Bausektor dürfte der Tiefpunkt im kommenden Jahr wohl durchschritten werden, insbesondere weil die öffentlichen Investitionen wieder steigen. Dies alles lässt erwarten, dass die Beschäftigung zunimmt und damit auch die Einkommen und die privaten Konsumausgaben. Dämpfend dürften allerdings höhere Energiepreise wirken; ein weiterer Anstieg des Ölpreises ist hier jedoch nicht unterstellt. Wir erwarten einen Zuwachs des BIP um 0,9 % in diesem und um 1,4 % im nächsten Jahr. Die Inflation dürfte sich bis in das kommende Jahr hinein verstärken. Das größte Risiko unserer Prognoseresultiert aus den Unwägbarkeiten des Mineralölmarktes. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich im ersten Halbjahr 2005 nicht verbessert. Die Zahl der Erwerbstätigen ging zunächst zurück, weil die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sank und die der Minijobs deutlich schwächer ausgeweitet wurde als im Vorjahr. Der prognostizierte Rückgang der registrierten Arbeitslosigkeit resultiert zunächst überwiegend daraus, dass Erwerbslose vermehrt in „Ein-Euro-Jobs“ vermittelt werden und die Anspruchsberechtigung der Hilfeempfänger kritischer überprüft wird. Erst für 2006 ist ein Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu erwarten. Die Arbeitslosenquote dürfte dann auf 10,5 % sinken nach 11,0 % 2005.Der Fehlbetrag der öffentlichen Haushalte wird sich 2005 voraussichtlich nur wenig, auf 3,5 % des nominalen BIP, vermindern, und dies auch nur, wenn die EU die Kapitalisierung von Forderungen der Postpensionskasse als defizitmindernd anerkennt. Auch2006 wird das Maastricht-Kriterium mit einer Defizitquote von voraussichtlich 3,1 %verfehlt, wobei der derzeitige Gesetzesstand unterstellt ist. Angesichts des hohen und weiter steigenden Schuldenstands muss die neue Bundesregierung in ihrer Finanzpolitik der Haushaltskonsolidierung hohe Priorität einräumen. Daneben erscheint mit Blick auf das niedrige Trendwachstum vordringlich, zum einen die Reform der sozialen Sicherungssysteme voranzutreiben, um auf die Herausforderung einer alternden Bevölkerung zu reagieren und die Kostenbelastung des Faktors Arbeit zu verringern, zum anderen das Steuersystem umzugestalten, damit die Investitions- und Sparentscheidungen nicht verzerrt und die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden.

Döhrn, R., G. Barabas, H. Gebhardt, T. Middendorf, A. Milton, H. Münch, G. Schäfer, T. Schmidt und U. Taureg (2005), Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Weiterhin kein kräftiger Aufschwung. RWI Konjunkturberichte, 56, 1, 23-60

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