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RWI-Papiere

2002

Guido Urfei, Rüdiger Budde

Die Geographie des Umweltföderalismus: Ein empirischer Ansatz zur Bestimmung effizienter Regelungsebenen der Umwelt- und Naturschutzpolitik in Deutschland

Besonders in der Umweltpolitik ist die Kenntnis der Raumwirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten von entscheidender Bedeutung. Denn aufgrund lokaler und regionaler Spezifika von Umwelträumen wie Trinkwassereinzugsgebieten, Landschaften oder Biotopen sprechen ökonomische Effizienzkriterien häufig für räumlich differenzierte Politikmaßnahmen. Allerdings wird die Forderung, politische Regelungen im Umweltbereich im Sinne der gesellschaftlichen Wohlfahrt an naturräumlichen Grenzen anstatt an vorhandenen Gebietskörperschaften auszurichten, oftmals mit dem Argument verworfen, für solche Lösungen seien die Transaktionskosten prohibitiv hoch. Es wird befürchtet, dass notwendige Neuabgrenzungen von Gebietskörperschaften oder Verwaltungsapparaten Folgekosten und Widerstände bei den Betroffenen nach sich ziehen, die durch die erwarteten Effizienzgewinne nicht gerechtfertigt werden können. Empirisch-quantitative Studien zur effizienzorientierten Abgrenzung von (Umwelt-) Gebietskörperschaften oder zur Bestimmung der zu erwartenden Transaktionskosten beim Neuzuschnitt von Politikaktionsräumen sind jedoch selten. Im Zentrum der ökonomischen Theorie des Umweltföderalismus, die bei raumbezogenen Fragestellungen Entscheidungskriterien und Handlungsanweisungen bietet, steht die Forderung, dass diejenigen Gebietskörperschaften mit Kompetenzen ausgestattet werden sollten, die von den jeweiligen Umweltwirkungen betroffen sind. Um dies zu erreichen, bedarf es des Wissens über die Entstehungsorte von Umwelteffekten und über die räumliche Dimension ihres Ausbreitungsgrades. Allerdings werden mit Hilfe der ökonomischen Theorie des Umweltföderalismus überwiegend qualitative Schlussfolgerungen zur Gestaltung praktischer umweltpolitischer Maßnahmen abgeleitet. Die empirisch belegbare und quantitative Aussagekraft solcher ökonomischer Föderalismusmodelle wird häufig, insbesondere wegen des hohen Komplexitätsgrades im Bereich der Umweltpolitik, als sehr begrenzt eingestuft. Mit den folgenden Überlegungen soll daher politischen Entscheidungsträgern, die bei der Zuordnung von Kompetenzen zwischen verschiedenen Raumkategorien abwägen, die Möglichkeit geboten werden, eine quantitativ basierte Informationsquelle zu nutzen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der Effizienzgrad der Kompetenzanordnung unterschiedlicher umweltpolitischer Arrangements quantitativ abgeschätzt werden kann. Dazu dient ein zweistufiges Vorgehen: Im ersten Schritt werden wesentliche Parameter zur Bestimmung geeigneter Regelungsebenen der Umweltpolitik gesucht (Abschnitt 1). Anschließend erfolgen die Operationalisierung (Abschnitt 2) und Quantifizierung (Abschnitt 3) dieser Indikatoren für regionale Umwelträume verschiedener Ausdehnung in Deutschland. Die entwickelte Methodik ist als Diskussionsbeitrag zur Forderung des „Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ zum EG-Vertrag von Amsterdam zu verstehen, Entscheidungen zu Kompetenzfragen in Zukunft durch quantitative Kriterien zu stützen. Die bisher im RWI vorgenommene Klassifikation von Regionen unter wirtschaftsstrukturellen Gesichtspunkten bleibt davon unberührt.

RWI

ISBN: 3-928739-88-3

ISSN: 1433-9382