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IAW Policy Reports

2010

Bernhard Boockmann, Roland Döhrn, Max Groneck, Hans Verbeek

Abschätzung des Ausmaßes der Schwarzarbeit

Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Zum Wesen der Schwarzarbeit gehört es, dass sie sich im Verborgenen abspielt. Eine möglichst genaue Beschreibung und Quantifizierung der der Schwarzarbeit zugrunde liegenden Phänomene ist jedoch Voraussetzung für ein planvolles Vorgehen der Politik. Vor diesem Hintergrund hat das Forschungsprojekt zum Ziel, den aktuellen Stand der Forschung zur Messung von Schwarzarbeit zu ermitteln und die Möglichkeiten zu klären, im Rahmen weiterer Forschungsvorhaben neue Erkenntnisse über Ursachen, Art und Ausmaß der Schwarzarbeit zu gewinnen. Zur Messung von Schwarzarbeit gibt es in der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschung eine Reihe von Ansätzen. In der Literatur ist die Unterscheidung in direkte und indirekte Methoden üblich. Unter direkten Methoden werden vor allem Befragungen auf der Mikroebene der einzelnen Person (oder ggf. des einzelnen Betriebs) verstanden. Zudem bietet sich unter bestimmten Voraussetzungen auch die Nutzung administrativer Datenquellen über einzelne Regelverstöße – etwa Fälle von Steuerhinterziehung – zur Messung der Schwarzarbeit an. Unter indirekten Methoden zur Erfassung von Schwarzarbeit versteht man die Verwendung von zumeist auf der Makroebene erhobenen Indikatoren, die die nicht beobachtbare Schwarzarbeit approximieren sollen. Eine eigene Klasse innerhalb der indirekten Methoden stellen die modellgestützten Verfahren dar, mit denen aus den Relationen zwischen messbaren Indikatoren durch ein statistisches Modell Rückschlüsse auf das Volumen und die Veränderung von Schwarzarbeit gezogen werden. In einem ersten Schritt werden die unterschiedlichen Definitionen von Schwarzarbeit beleuchtet. In dieser Studie geht es grundsätzlich um Arbeitsverhältnisse, die den Behörden nicht gemeldet werden, um die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben zu umgehen. Die „informelle Ökonomie“ (die in den Industrieländern z.B. die Nachbarschaftshilfe einschließt) steht nicht im Zentrum der Betrachtung. Allerdings beziehen sich die indirekten Methoden oft auf die weiter gefasste Schattenwirtschaft, die auch kriminelle Aktivitäten und anderes umfasst, und ergeben keine separaten Maße für Schwarzarbeit. Im dritten Kapitel werden Studien diskutiert, die auf Umfragen bei Privatpersonen oder Haushalten beruhen. Schwerpunkt sind hier neuere Studien für Deutschland. Zwischen den Untersuchungen bestehen vielfältige Unterschiede in der Vorgehensweise, die dazu führen, dass die Ergebnisse unterschiedlich valide sind. Für alle Studien gilt, dass sie wesentliche Bereiche der Schwarzarbeit nicht erfassen, insbesondere die Schwarzarbeit im Unternehmenssektor und die durch Migranten geleistete Schwarzarbeit. Ein besonderes Problem ist die internationale Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Studien, die in vergleichbarer Weise in mehreren Ländern durchgeführt werden, kommen teilweise zu unplausiblen Unterschieden bezüglich der Beteiligung an der Schwarzarbeit. Hierfür sind verschiedene Gründe maßgeblich, die in der Analyse diskutiert werden. In Kapitel 4 folgt die Darstellung indirekter Methoden. Dabei geht es zunächst um die von verschiedenen statistischen Ämtern verwendeten Verfahren, die hier als Diskrepanzmethoden angesprochen werden. Sodann werden die Bargeldmethode sowie modellgestützte Verfahren betrachtet, die in der Forschung verbreitet sind. Diskrepanzverfahren und Verfahren der Zuschätzung, die von den statistischen Ämtern verwendet werden, haben nicht primär die Messung der Schwarzarbeit zum Ziel, sondern die Vollständigkeit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Nur wenige statistische Ämter in Europa veröffentlichen dementsprechend Zahlen zur Schwarzarbeit. Die Bargeldmethode und insbesondere die modellgestützten Verfahren (MIMIC-Modelle) werden häufig von der wissenschaftlichen Forschung verwendet. Die Ergebnisse dieser Verfahren werden in hohem Maße von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Verfahren stehen aber in der Wissenschaft durchaus in der Kritik, insbesondere weil sie die Schattenwirtschaft oft anhand relativ grober Indikatoren bestimmen und dabei sehr restriktive Modellannahmen treffen. Diese Kritikpunkte werden in Kapitel 4 diskutiert. Kapitel 5 liefert eine zusammenfassende Bewertung der Eignung direkter und indirekter Methoden für unterschiedliche Fragestellungen sowie eine Darstellung, welche Forschungslücken in Deutschland bei der Messung der Schwarzarbeit derzeit festzustellen sind. Danach bestehen insbesondere folgende Forschungslücken: Erstens sind die vorhandenen direkten Erhebungen über die Schwarzarbeit unzureichend. Ihre geringen Beobachtungszahlen erlauben es vor allem nicht, robuste Schätzungen von Schwarzarbeitsangebot und -nachfrage durchzuführen. Nur auf einer verlässlichen Datengrundlage mit Individualdaten können Schätzungen durchgeführt werden, die auch die Frage nach den Politikwirkungen beantworten können. Zweitens besteht keinerlei Verbindung zwischen den von den statistischen Ämtern genutzten Verfahren der Diskrepanzanalyse und Zuschätzungen und der wissenschaftlichen Forschung zur Schwarzarbeit. Aufgrund dieser Lücke werden die Ergebnisse der statistischen Ämter nicht genutzt und nicht in der Forschung diskutiert. Drittens werden administrative Datenquellen der Finanzverwaltung, aber auch der Ermittlungsbehörden bislang nicht zur Messung von Schwarzarbeit verwendet, obwohl sie eine Vielfalt von Informationen hierzu bieten. Vorschläge für ein verbessertes Vorgehen bei der Messung von Schwarzarbeit werden in Kapitel 6 diskutiert. Dabei zeigt sich, dass das beste Vorgehen auch von der Fragestellung abhängig ist. Um genauere und vor allem robustere Maße für den Umfang der Schattenwirtschaft zu erhalten, bieten sich Verbesserungen der modellgestützten Verfahren an. Geht es um die Verbreitung der Schwarzarbeit in Branchen und Aktivitäten, sollte ein branchenbezogenes Vorgehen gewählt werden, das auf den Verfahren der statistischen Ämter ansetzt. Die beste Evidenz über das Verhalten der Anbieter und Nachfrager von Schwarzarbeit und über die Möglichkeiten, dieses zu beeinflussen, geben Schätzungen auf der Basis von Individualdaten, wobei die Möglichkeit untersucht werden sollte, durch die Verknüpfung mit bestehenden Datenquellen die Erhebungskosten möglichst gering zu halten.

Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW)

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