Höchster Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990
Die Unstatistik des Monats August ist die Meldung des Thinktanks Agora Energiewende, wonach Deutschland im Jahr 2021 vor dem höchsten Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990 stehe. Diese Meldung wurde in den Sozialen Medien und einigen Tageszeitungen sowie in der Sendung „Hart aber Fair“ unkritisch aufgenommen.
Faktisch ist die Aussage zwar richtig. Die Hochrechnungen von Agora Energiewende legen nahe, dass die Treibhausgasemissionen im Jahr 2021 zwischen 20 und 73 Millionen Tonnen gegenüber den 739 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2020 ansteigen werden. Dieser Anstieg muss jedoch vor dem Hintergrund des Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr gesehen werden. Nur deshalb kam es 2020 zum stärksten Rückgang der Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Vorjahr seit 1990. Insofern ist der diesjährige Anstieg der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2020 im Zusammenhang gesehen wenig spektakulär. Eine ähnliche Entwicklung gab es bereits während der letzten Finanzmarktkrise: So wurde im Krisenjahr 2009 der bisher stärkste Rückgang der Treibhausgasemissionen beobachtet, gefolgt von dem bisher stärksten Anstieg der Emissionen im Jahr 2010.
Vor dem Hintergrund der Klimaziele der Bundesregierung ist der Blick auf jährliche Wachstumsraten der Treibhausgasemissionen daher wenig sinnvoll. Die Klimaziele werden als Minderung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 definiert. Das Ziel, die Treibhausgasemissionen im Jahr 2020 im Vergleich zu 1990 um mindestens 40 Prozent zu senken, wurde zwar erreicht – aber eben nur aufgrund der mit der Corona-Krise einhergehenden geringeren Wirtschaftstätigkeit und Mobilität. Ohne diese Krise hätte man das Ziel aller Wahrscheinlichkeit nach verfehlt. In diesem Jahr schwenkt man wieder in den „normalen“ Trendverlauf der CO2-Emissionen ein – die Treibhausgasemissionen nehmen im mittleren Szenario von Agora Energiewende zwar ab, liegen jedoch über den Einsparungszielen der Bundesregierung. Insofern besteht weiterhin erheblicher Handlungsbedarf, wenn man das Ziel einer Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 erreichen möchte – Sensationsmeldungen aufgrund krisenbedingter Schwankungen helfen dabei jedoch nicht.
Ansprechpartner/in:
Prof. Dr. Thomas K. Bauer (RWI), Tel.: (0201) 8149-264
Katharina Schüller (STAT-UP), Tel.: (089) 34077-447
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Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de und unter dem Twitter-Account @unstatistik. Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.
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