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Mittelstandsmonitor: Jährlicher Bericht zu Konjunktur- und Strukturfragen kleiner und mittlerer Unternehmen

2008

Forschungsstrategien von Unternehmen: Gibt es Unterschiede zwischen KMU und großen Unternehmen?

Wenn das Potenzial kleiner und mittlerer Unternehmen für Forschung und Entwicklung, insbesondere in Hinblick auf das Barcelona-Ziel einer Erhöhung der FuE-Ausgaben auf 3 % des BIP, weiter erschlossen werden soll, ist zunächst das Wissen über Unterschiede zwischen forschenden kleinen und forschenden großen Unternehmen in Bezug auf das Profil und die Strategien auszuweiten. Zunächst ergibt sich, dass nur ein kleiner Teil aller Unternehmen mehr oder minder kontinuierlich Forschung betreibt und dass Forschungsaktivitäten in starkem Maß durch den Branchenkontext initiiert und durch bestimmte Marktkonstellationen befördert werden. So ist beispielsweise der überwiegende Teil der FuE-Ausgaben in der Wirtschaft auf die vier Branchen Elektronik, Maschinenbau, Fahrzeugbau und Chemische incl. Pharmazeutische Industrie konzentriert. In diesen Branchen findet der Wettbewerb zwischen den Unternehmen in erheblichem Ausmaß über die Forschung nach und Entwicklung von originären Neuerungen statt. Wie die amtliche Statistik zeigt, nimmt die durchschnittliche Forschungsintensität mit steigender Unternehmensgröße zu. Grundlagenforschung wird nur von wenigen Unternehmen betrieben, und auch dann nur, soweit diese einen konkreten Praxisbezug aufweist. Es handelt sich dabei wohl überwiegend um Großunternehmen forschungsintensiver Branchen. Zu erwähnen sind allerdings auch kleine Technologieunternehmen (wie beispielsweise in der Biotechnologie), die angewandte Grundlagenforschung und angewandte Forschung zur Entwicklung neuer Produkte durchführen. Die weitaus meisten Unternehmen, darunter die Mehrheit der forschenden KMU, beschränken sich indessen auf eine angewandte Forschung, die auf inkrementale Verbesserungen bestehender Produkte und Verfahren gerichtet ist. Viele der forschenden Großunternehmen und größeren mittelständischen Unternehmen verfolgen darüber hinaus mit ihrer Forschung auch das Ziel, neue Produkte und Verfahren zu entwickeln. Die Forschungsstrategien der Unternehmen, definiert als die grundlegenden Verhaltensmuster, welche die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Unternehmen langfristig prägen, stellen sich äußerst vielgestaltig dar. Relevante Unterschiede können bei jedem Element der Strategie liegen, z. B. bei der Entscheidung über den internen und den externen Wissenserwerb, bei Steuerung und Controlling, beim Formalisierungsgrad und bei der Verankerung von FuE in den betrieblichen Wertschöpfungsprozessen. Zugleich lässt sich allerdings auch eine Reihe von systematischen Unterschieden identifizieren, die generell anzutreffen sind. Mit zunehmender Größe des Unternehmens nimmt der Formalisierungsgrad der Forschung zu. Formelle Steuerungsmechanismen der FuE existieren in allen von uns besuchten und den meisten der in der schriftlichen Befragung erfassten forschenden Unternehmen. Zumindest in den großen Unternehmen unterliegt die FuE einem systematischen, durch formelle Prozeduren bestimmten Controlling. Andere formale Steuerungsmechanismen finden hingegen in den Unternehmen relativ wenig Anwendung und auch hier gibt es ein Gefälle von den großen zu den kleinen Unternehmen. Für die seitens der EU angestrebte FuE-Quote ist von Bedeutung, ob die Forschungsaktivitäten in Deutschland, Osteuropa, Asien oder andernorts durchgeführt werden. Insofern sind unternehmensgrößenbezogene Unterschiede, die sich im Hinblick auf die räumliche Verteilung der FuE-Aktivität zeigen, von Interesse. In den mittelständischen Unternehmen sind im Durchschnitt die FuE-Aktivitäten sehr stark – in der Regel auf einen Standort – konzentriert. Mehrere Standorte gibt es nur in Ausnahmefällen, etwa wenn dies aufgrund von Kundenkontakten bzw. wegen der erforderlichen produktionsnahen Entwicklung angezeigt ist. Die in den letzten Jahren deutlich gewordene Internationalisierung der FuE-Aktivitäten ist sehr stark auf wenige sehr große internationale Konzerne begrenzt. Kleine Unternehmen verfügen naturgemäß über einen geringeren Etat für Forschung und Entwicklung als Großunternehmen. Dies schränkt häufig ihre Möglichkeiten ein, sich auf wissenschaftlich weitgehend ungewisses Terrain zu begeben. Sie versuchen daher, sich schrittweise in neue Wissensgebiete vorzutasten oder spezialisieren sich auf Nischen. Größere Unternehmen sind eher in der Lage, langfristige Forschungsziele zu definieren und grundsätzlich neue Wissensgebiete zu erschließen. Hierbei spielt weniger die unterschiedliche Risikobereitschaft eine Rolle als vielmehr die Finanzierungsmöglichkeiten. Unsere Befunde zeigen deutlich, dass die Rolle der FuE-Aktivitäten von KMU auch in der Technologieförderung sehr stark in Systemzusammenhängen gesehen werden muss. FuE-Projekte sollten daher entlang der industriellen Wertschöpfungsketten ansetzen, gleichzeitig aber auch die Interdependenz zwischen den FuE-Aktivitäten von mittelständischen und großen Unternehmen berücksichtigen. So wirkt sich die Innovativität der mittelständischen Unternehmen im Fahrzeugbau etwa in der Zulieferkette auf die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche aus. In der Pharmabranche besteht gleichfalls eine enge Beziehung zwischen den Biotechnologieunternehmen und den großen Pharmakonzernen. Letztere nehmen vielfach die Ergebnisse der FuE-Aktivitäten der Biotechnologieunternehmen auf, übernehmen klinische Tests und die Markteinführung. Gleichzeitig hat der enge Austausch mit der Forschung an Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstituten eine große Bedeutung nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für technologieorientierte mittelständische Unternehmen.

Dürig, W., M. Rothgang and V. Zimmermann (2008), Forschungsstrategien von Unternehmen: Gibt es Unterschiede zwischen KMU und großen Unternehmen?. Mittelstandsmonitor 2008: Mittelstand trotz nachlassender Konjunkturdynamik in robuster Verfassung. Frankfurt am Main: KfW Bankengruppe, 103-154.

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