Kohlesubventionen um jeden Preis?
Eine Streitschrift zu den Argumentationslinien des Gesamtverbandes des deutschen Steinkohlenbergbaus
Seit mittlerweile fast fünf Jahrzehnten wird die Förderung deutscher Steinkohlen mit erheblichen Subventionen der öffentlichen Hand unterstützt. Trotz einer immer geringeren beschäftigungspolitischen Bedeutung stieg dabei die Höhe der jährlichen Zahlungen bis in die neunziger Jahre beinahe unaufhörlich an. Erst nachdem 1996 mit gut 6,7 Mrd. Euro ein Höchststand der jährlichen Förderung erreicht wurde,wurden die Subventionen reduziert - auf geplante 2,3 Mrd. Euro im Jahr 2005. Summa summarum flossen Subventionen in Höhe von nominal 128 Mrd. Euro in die Steinkohlenproduktion. Gleichzeitig erreichte die Verschuldung von Bund und Land Nordrhein-Westfalen eine enorme Höhe, womit hohe gegenwärtige und zukünftige Zins- und Tilgungsverpflichtungen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund und angesichts der unumstrittenen Erkenntnis, dass die öffentlichen Haushalte konsolidiert werden müssen, ist es verwunderlich, wie es gelingen konnte, dem Steuerzahler über Jahre Finanzmittel in diesem Ausmaß abzuringen, die für andere staatliche Aktivitäten - etwa für die dringend benötigte Beflügelung des Strukturwandels im Ruhrgebiet - nicht mehr zur Verfügung standen. Neben intensiven Lobbyaktivitäten und einer engen Verflechtung mit gesellschaftlichen Gruppen ist die Öffentlichkeitsarbeit des Gesamtverbandes des deutschen Steinkohlenbergbaus (GVSt) ein wichtiger Erklärungsfaktor. Der vorliegende Beitrag analysiert diese aus ökonomischer Sicht und prüft dabei drei immer wiederkehrende Argumentationslinien des GVSt: (i) die Bedeutung der heimischen Steinkohle im Vergleich zu den internationalen Märkten für Stromerzeugung und Energierohstoffe, (ii) dasVerhältnis von wirtschaftlichen Erträgen und Kosten der Steinkohlensubventionierung, die sich für Region, Land und Bund ergeben, und schließlich (iii) die Abhängigkeit Deutschlands von Energie- und Rohstoffimporten. Der Beitrag zeigt, dass die Argumente des GVSt einer kritischen Überprüfung aus einer Sicht, die sich den Interessen aller Bürger verpflichtet fühlt, nicht Stand halten.Aus dieser Perspektive wäre eine baldige Beendigung der Subventionierung der heimischen Steinkohleförderung, die unausweichlich ein Auslaufen des heimischen Steinkohlebergbaus bedeuten würde, erstrebenswert. Für die dann frei werdenden Mittel gäbe es sinnvollere Verwendungsmöglichkeiten, insbesondere auch für die heute noch im Steinkohlenbergbau beschäftigten Menschen. Stattdessen einen Sockelbergbau mit dem Argument der Versorgungssicherheit weiter zu führen, um damit eine Versicherung gegen Preis- und Mengenrisiken am Weltkohlenmarkt zu haben, ist hingegen abwegig: Kein rational handelnder Mensch würde eine Versicherung abschließen, deren Prämie höher ist als der Wert des zu versichernden Objekts.
ISBN: 3-936454-67-1