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ECB Observer

2004

Ansgar Belke, Wim Kösters, Martin Leschke, Thorsten Polleit

Liquidity on the rise - too much money chasing too few goods

Teil 1: Argumente gegen EZB-Devisenmarktinterventionen Wir sprechen uns gegen Devisenmarktinterventionen aus. Unsere wichtigsten Argumente sind: (1) Eine Schwächung des Euro zu Gunsten des US-Dollar würde eine noch expansivere Geldpolitik der EZB erfordern, die die Preisstabilität gefährdet. (2) Empirische Erkenntnisse zeigen, dass Wechselkursaufwertungen nicht die negativen Folgen auf die (deutschen) Exporte ausüben, wie allgemein behauptet wird. (3) Die EZB kann den (entscheidenden) realen Wechselkurs nicht ziel-gerecht und systematisch beeinflussen. (4) Devisenmarktinterventionen bergen das Risiko, destabilisierende Effekte auf den Märkten auszulösen. (5) Geldpolitische Interventionen zur Schwächung des Euro könnten die Anreize reduzieren, Strukturreformen sowie Produkt- und Prozessinnovationen voranzutreiben, die dann den Wachstumspfad und die Beschäftigungslage schädigen. Teil 2: “Price gaps” und die US-Inflation Empirische Untersuchungen zur Beziehung zwischen Geldmenge und Inflation in den USA zeigen, dass die „Preislücke“ – d. h. der in der Vergangenheit aufgebaute und noch nicht durch Output- und/oder Preissteigerungen abgebaute Geldüberschuss – einen ganz erheblichen Beitrag leistet, um die Inflation der amerikanischen Konsumentenpreise zu erklären: Es gilt „Money Matters“. Allerdings erweisen sich die Umlaufgeschwindigkeiten der US-Geldmengen häufig als nicht „trendstabil“. Dadurch kann die US Notenbank ihre Politik nicht – wie es etwa der EZB möglich ist – unmittelbar an der Geldmengenentwicklung ausrichten. – Eine vorsichtige Interpretation der aktuellen US-Geldmengenentwicklungen deutet auf einen (leichten) Anstieg der Inflation in der Zukunft hin; deflationären Tendenzen sind in den USA nicht zu erkennen. Teil 3: “Price gaps” und die Euroraum-Inflation Die Preislücke auf Basis der Geldmenge M3 erweist sich als überragender Inflationsindikator im Euroraum; sie „outperformed“ alternative Indikatoren wie z. B. das „Output Gap“, den Wechsel-kurs und die Arbeitslosigkeit. Als besonders aussagekräftiger Inflationsindikator erweist sich die Preislücke, wenn sie auf Basis ihres „Trendverlauf“ errechnet wird. Alternative Spezifikationen, wie etwa zinsgewichtete Geldmengenaggregate („Divisia-Aggregate“), sind der M3-Preislücke nicht überlegen. Vor diesem Hintergrund wäre es für die EZB rational, ihre Geldpolitik verstärkt an der M3-Preislücke („Monetäre Analyse“) auszurichten und die Bedeutung anderer Variablen („wirtschaftliche Analyse“) zurückzustufen. Daher erscheint auch die „Strategierevision“ vom 8. Mai 2003 als wenig nachvollziehbar. – Die aktuelle M3-Preislücke zeigt ein beträchtliches Inflationspotenzial: Die aufgelaufene Liquidität reicht aus, das Preisniveau im Euroraum dauerhaft um etwa 7,0 Prozent anzuheben. Teil 4: EZB-Geldpolitik und Inflationsausblick Die Geld- und Kreditexpansion im Euroraum legt Zinsanhebungen nahe, um die Expansion der M3-Preislücke abzubremsen; eine Situation, in der der Realzins mehr oder weniger Null Prozent beträgt, kann nicht beibehalten werden, ohne letztlich die Inflation anzuheizen. Schon heute er-scheint es unwahrscheinlich, dass der Geldüberschuss durch einen Anstieg der Produktion (voll-ständig) absorbiert wird. Auf Basis unseres Prognosemodells errechnen wir eine jahresdurch-schnittliche Inflation in Höhe von 2,1 Prozent in 2004 und 2,2 Prozent in 2005. – Im aktuellen Umfeld besteht dies- und jenseits des Atlantiks die akute Gefahr, dass der Geldmengenüberschuss eine (weitere) „Asset Price Inflation“ auf den Vermögensmärkten (Aktien, Bonds, Häuser etc.) speisen wird, deren unausweichliche Korrektur mit beträchtlichen Output- und Beschäftigungs-verlusten verbunden sein kann. Daher auch unsere Schlussfolgerung: „Too much money is chasing too few goods”.

Belke, A., W. Kösters, M. Leschke und T. Polleit (2004), Liquidity on the rise - too much money chasing too few goods. 6, 3-49

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