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RWI Projektberichte

2013

Peggy Bechara, Boris Beimann, Rainer Kambeck, Sandra Schaffner, Ellen von den Driesch

Gutachten zur Reform des Ehegattensplittings

Endbericht – Januar 2013
Forschungsprojekt der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die 1958 im Einkommensteuerrecht eingeführte Möglichkeit des sogenannten „Ehegattensplittings“ sieht sich seit einiger Zeit verstärkter Kritik ausgesetzt. Bei der gemeinsamen Veranlagung von Ehegatten wird der Steuertarif auf die Hälfte der Einkommen beider Ehepartner angewendet. Der sich daraus ergebende Steuerbetrag wird für die an das Finanzamt zu entrichtende Steuerschuld des Ehepaares verdoppelt. Im Vergleich zu einer Individualbesteuerung aller Steuerpflichtigen kann so der Effekt eintreten, dass verheiratete Paare bei gleichem Einkommen eine geringere Einkommensteuerzahlung leisten müssen als unverheiratete Paare. Dieser Effekt ergibt sich zum einen aus dem progressiven Steuertarif, weil wegen der Teilung des zu versteuernden Einkommens ein geringerer Durchschnittssteuersatz gezahlt wird, zum anderen verdoppelt sich der Grundfreibetrag. Dieser Splittingeffekt wächst mit steigendem Einkommen des Paares und steigender Asymmetrie in der Einkommenserzielung der Ehepartner bis zu einem Maximalwert an (s. zum Beispiel Fritsche et al. 2003 oder Bach et al. 2012). Aufgrund des Splittingeffektes kann sich ein Anreiz für Alleinverdiener-Ehen ergeben. Da in den überwiegenden Fällen (86%) der Mann der Haupteinkommensbezieher ist, können insbesondere für Frauen negative Erwerbsanreize entstehen. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen liegt zwar in Deutschland über dem EU-Durchschnitt, allerdings ist ein großer Anteil auf Teilzeit- und geringfügige Beschäftigung zurückzuführen. Gemessen an der vollzeitäquivalenten Erwerbsquote liegt in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern eher eine unterdurchschnittliche Arbeitsmarktintegration von Frauen vor (Kröger und Schaffner 2011). Neben fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten und persönlichen Präferenzen können auch Anreizsysteme im Steuer- und Abgabensystem eine Ursache für den großen Anteil der Teilzeitbeschäftigung sein. Zentrales Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Aufkommens- und Verteilungseffekte sowie die Beschäftigungseffekte (Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage) bei verschiedenen, vom Auftraggeber der Studie vorgegebenen Reformvarianten des Ehegattensplittings auf der Basis von Mikrodaten der Steuerveranlagung sowie Haushaltsbefragungen zu quantifizieren. Neben dem zusätzlichen Steueraufkommen verschiedener Reformoptionen sollen dabei die Splittingeffekte auch differenziert nach der Einkommenshöhe und nach Anzahl der Kinder der Steuerpflichtigen dargestellt werden. Referenz für die Quantifizierung der Aufkommens- und Verteilungseffekte bildet jeweils die Steuerbelastung, die sich auf Basis des geltenden Einkommensteuertarifs 2012 ergibt. Ausdrücklich nicht Gegenstand der vorliegenden Studie sind eine ausführliche Diskussion des Für und Wider des Ehegattensplittings sowie juristische Aspekte, die bei einer Umsetzung der Reformvarianten zu prüfen wären.