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RWI Positionen #30

2009

Christoph M. Schmidt, Nils aus dem Moore

Quo vadis, Ökonomik?

Die zur Weltrezession ausgeweitete Finanzmarktkrise setzt im öffentlichen Diskurs auch die Wirtschaftswissenschaften unter Druck, ihre Erklärungs- und Beratungskompetenz werden bezweifelt. In Deutschland kulminiert die Debatte in einem leidenschaftlichen Streit um die künftige Ausrichtung der Fakultäten für Volkswirtschaftslehre. Vertreter der traditionellen Ordnungsökonomik kritisieren, dass an den Universitäten die Mathematik dominiere und wirtschaftspolitische Fragen an den Rand gedrängt würden. Die Diskussion geht jedoch genau an dieser Stelle völlig ins Leere, da es diesen Gegensatz bei genauerem Hinsehen gar nicht gibt. Die aus ordnungspolitischer Warte vorgebrachte Kritik an der Formalisierung von Theorien und ihrer empirischen Überprüfung mithilfe quantitativer Verfahren beruht auf einer stark selektiven Wahrnehmung der gegenwärtigen Wissenschaftspraxis. Noch nie waren große Teile der ökonomischen Forschung so praxisbezogen wie heute. Denn Mathematisierung und Realitätsbezug sind keine Gegensätze, sie bedingen sich in der empirischen Wirtschaftsforschung geradezu gegenseitig: Nur wer die entsprechenden statistischen Verfahren beherrscht, kann in der vielschichtigen ökonomischen Realität relevante Zusammenhänge erkennen oder die spezifischen Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen ermitteln. Die Volkswirtschaftslehre als akademische Disziplin an deutschen Universitäten ist daher gut beraten, sich am angelsächsischen Dreiklang "Mikroökonomik - Makroökonomik - Ökonometrie" zu orientieren - als unabdingbarem Grundgerüst der modernen Ökonomik. Auf dieser Basis ausgebildete Ökonomen verfügen über die notwendigen Voraussetzungen, um systemische Zusammenhänge aufzuklären und der Politik bei der Bewältigung großer wirtschaftspolitischer Herausforderungen zu helfen.