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Väter, die Elternzeit nehmen, haben ein geringeres Scheidungsrisiko

Auf ihrer LinkedIn-Seite veröffentlichte die AllBright Stiftung im Januar einen Beziehungstipp: „Väter, nehmt Elternzeit!“. Die Stiftung, die sich für die Gleichstellung von Mann und Frau einsetzt, verweist dabei auf Forschungsergebnisse, die zeigen, dass es auch den Ehen von Vätern guttut, Elternzeit zu nehmen. Denn Väter, die Elternzeit nehmen, hätten ein geringeres Scheidungsrisiko: die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Paar trennt, würde dann um 25 Prozent sinken.

Das Forschungsprojekt, auf das die AllBright Stiftung verweist, verwendet einen Datensatz von Eltern in den USA, deren Kinder im Jahr 2001 geboren wurden und die bis zum Jahr 2007 mehrmals befragt wurden. In die Analyse gingen nur Beobachtungen von Vätern ein, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes und danach beschäftigt waren. Mit dieser Stichprobe zeigen die Autoren durchaus, dass Väter, die nach der Geburt des Kindes im Jahr 2001 Elternzeit nahmen, bis zum Jahr 2007 eine um 29 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit hatten, sich von der Mutter des Kindes zu trennen (die Wahrscheinlichkeit einer Trennung zwischen 2001 und 2007 sinkt von 7,5% auf 5,6%, wenn die Väter Elternzeit nehmen).

Studie zeigt nicht, dass Elternzeit die Ehe stabilisiert

Anders als die Meldung der AllBright Stiftung vermuten lässt, handelt es sich hierbei aber nicht um einen kausalen, also ursächlichen Zusammenhang. Die Autoren der Studie sind in dieser Hinsicht auch sehr vorsichtig und verweisen lediglich auf eine „Association“, also eine Korrelation. Das Problem derartiger Studien liegt darin, dass die sogenannte kontrafaktische Situation – in diesem Fall die Trennungswahrscheinlichkeit von Männern, die Elternzeit genommen haben, wenn diese keine Elternzeit genommen hätten – nicht beobachtet werden kann und daher unter Verwendung geeigneter statistischer Verfahren „konstruiert“ werden muss. Wenn dies gelingt, kann unter anderem ausgeschlossen werden, dass der gefundene Zusammenhang auf eine dritte Variable zurückgeführt werden kann, die mit der Wahrscheinlichkeit einer Trennung und der Wahrscheinlichkeit Elternzeit zu nehmen korreliert ist. Die Autoren verwenden in ihrer Analyse durchaus geeignete Strategien, um die Existenz einer solchen dritten Variable möglichst auszuschließen. So vergleichen sie unter anderem Väter, die Elternzeit genommen haben, mit Vätern, die sich hinsichtlich aller in ihrem Datensatz beobachtbaren Eigenschaften gleichen, aber keine Elternzeit genommen haben. Bei diesem Vergleich haben Väter mit Elternzeit nur um eine ca. 4 Prozent geringere Trennungswahrscheinlichkeit als Väter, die keine Elternzeit genommen haben (die Wahrscheinlichkeit einer Trennung zwischen 2002 und 2007 sinkt von 7,5% auf 7,2%).

Längere Elternzeit beeinflusst Trennungswahrscheinlichkeit nicht

Die AllBright Stiftung verweist zudem nicht auf weitere wichtige Ergebnisse der Studie. So finden sich obige Effekte nur für Väter, die höchstens eine Woche Elternzeit genommen haben. Väter, die sich für die Betreuung des neuen Familienmitglieds eine längere Auszeit genommen haben, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Trennungswahrscheinlichkeit nicht von Vätern, die überhaupt keine Elternzeit genommen haben. Der weit wichtigste Faktor für eine stabile Partnerschaft ist nach der obigen Studie zudem, ob die Eltern eines Kindes zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet waren: Partner, die ohne Trauschein zusammenlebten, hatten eine 5,5-fach höhere Wahrscheinlichkeit sich zu trennen.

Auf Basis dieser Ergebnisse wollen wir Ihnen einen weiteren Beziehungstipp geben: Realisieren Sie einen Kinderwunsch nur, wenn Sie in einer stabilen Partnerschaft leben. Und: In einer glücklichen Partnerschaft sollte es heutzutage eigentlich selbstverständlich sein, dass sich beide Partner bei der Betreuung von Kindern, aber auch in der Pflege von älteren Angehörigen engagieren. Ist das nicht der Fall, haben sie vielleicht den falschen Partner.

Ihre Ansprechpartner/in dazu:

Prof. Dr. Thomas K. Bauer (RWI), Tel.: (0201) 8149-264
Katharina Schüller (STAT-UP), Tel.: (089) 34077-447
Sabine Weiler (Kommunikation RWI), Tel.: 0201/ 8149-213, sabine.weiler@rwi-essen.de

Neu erschienen: „Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich – Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“, das zweite Unstatistik-Buch (ISBN 9783593516080), erhältlich im Buchhandel zum Preis von 22 Euro.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de und unter dem Twitter-Account @unstatistik. Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.

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